Maybe – eine neue Generation wird diffamiert
Wäre nicht die WELT gewesen, die dem Journalisten Oliver Jeges 2012 Gelegenheit gab, über die „Generation Y.“ herzuziehen und sie als Generation „Maybe“ zu diffamieren, so wäre uns wahrscheinlich viel erspart geblieben.
Journalisten haben die ekelhafte Eigenschaft, die Jugend zu „Verschlagworten“. Vor kurzer Zeit wuchs noch die Generation „Porno“ auf – das haben namhafte Journalisten durchaus ernsthaft aufgegriffen. Klar: Eine Generation, die vom Internet verseucht, gefährliche und ekelhafte Sex-Experimente wagte. Dies alles, mit viel Aufwand von Presse, Rundfunk und Fernsehen inszeniert, erwies sich als Luftblase, um Leser zu ködern und Einschaltquoten zu verbessern. Im Grunde genommen war dies nicht nur unseriös, sondern ausgesprochen ekelhaft.
Nun ist es also die Generation „Maybe“, auf Deutsch also die Generation „Vielleicht“ oder „Möglicherweise“.
Wer solldas sein, die Generation „MAYBE“?
Kurz gefasst ist es so: Die einst als hoffnungsvoll bezeichnete Generation „Y“, auch Millennium-Generation genannt, besteht aus Menschen, die zwischen 1977 und 1998 geboren wurden. Sie wurden „ins neue Jahrtausend“ entlassen, als sie entweder ihre Ausbildung begonnen oder ihr Studium beendet hatten, und sind mithin heute gegen höchstens 38 bis mindestens 17 Jahre alt. Was bedeutet: vom Abiturienten oder Azubi bis zum Beamten, Angestellten, Handwerker, Arbeiter und auch Hartz-IV-Empfänger auf der Kippe zu den „mittleren Jahren“.
Angeblich – und das ist der Punkt – wollen sie sich „weder entscheiden noch Verantwortung übernehmen“. Weitet man dies aus, so entwirft man das Bild eine Generation, die plan- und ziellos durchs Leben navigiert.
Immer wieder: dummdreistes Gelaber über die Jugend
Das wäre ja alles ganz schrecklich, wenn man dies nicht schon von vielen Generationen zuvor gesagt hätte. Freilich, jedes dieser Generationen wuchs unter andern Gesichtspunkten auf, hatte andere Schwierigkeiten und andere Ablenkungen. Aber in einem sind sie alle gleich gewesen: Ein Großteil der Besserwisser, unter ihnen zahllose Lehrer, Erzieher und Journalisten, haben sie „schlecht geredet“. Wobei ihnen allen völlig gleichgültig war, ob es dafür gesicherte Fakten, Pseudo-Fakten oder einfach lächerliche Meinungsbildner gab. Muss ich die heutigen Klugscheißer wirklich an den unseligen Hans Heinrich Muchow erinnern, der die Nachkriegsgeneration in Bausch und Bogen verdammt hat? Es war eine andere Jugend. Erwachsene waren keine Freude, sondern potenzielle Gegner mit Bürgermief in den Kleidern und braunem Dreck unter den Fingernägeln. Man sucht das selbstbestimmte Leben, nicht das Leben, das der Elterngeneration vorschwebte. Was sollte aus dieser Jugend werden? Eine Jugend ohne Vorbilder (wie heute wieder behauptet wird) eine Jugend, die ziellos durchs Leben schreitet, und gar nicht daran denkt, in die Fußtapfen der Väter und Mütter zu treten?
Die Jugend als Feindbild
In diesen Zeiten konnte man Karrieren machen. Schöne Karrieren, bei denen ein Goldtopf am Ende stand – man brauchte ja jede Hand und jeden Kopf. Und trotz alledem war der Wunsch nach Eigenheit, Freiheit und Unabhängigkeit oft größer als der Hang, die Machtfülle eines deutschen Prokuristen jener Zeit zu genießen.
Die Nachfolgegenerationen hatten es kaum besser: Als die Jugend lange Haare trug, war sie vom Bazillus der Beat-Musik besessen, als sie rebellierte, lief sie „Rattenfängern“ nach, als sie das Leben genoss, wurden ihre Mitglieder als „Nichtstuer“ oder „Gammler“ beschimpft.
Und jetzt? Ein Teil der neuen Generation, sofern man bei dieser willkürlich zusammengestellten Altersgruppe überhaupt von einer „Generation“ sprechen kann, hat keinen Lebensplan. Diesem Teil, soweit er denn unter 26 ist, sage ich mal: herzlichen Glückwunsch! Es ist nicht gut, zu früh Lebenspläne zu entwickeln, und in der heutigen Zeit ist es tatsächlich besser, die Lebenspläne eine gewisse Zeit flexibel zu halten. Unter 25 ist das Gehirn ohnehin noch nicht so weit entwickelt, dass man Pläne bis in die mittleren Jahre anfertigen sollte. Die Jahre zwischen 25 und 30 sind hingegen entscheidend, um die Grundlagen für das Leben in den „mittleren Jahren“ zu legen. Dann ist, wie man wohl mit Recht sagen kann, die Jugendzeit eben auch vorbei.
Abschreiber überall: Wie man ein Vorurteil verfestigt
Ich lese viel über die Liebe, die Beziehungen, über Lebensentwürfe. Zum Beispiel dies:
Das Problem ist nicht, dass die Maybes nicht wollen, sondern dass sie sich nicht trauen. Selbstverantwortung übernehmen.
Wie schön, wenn man die Probleme junger Leute erkennt. Freilich wäre es wesentlich interessanter, der Jugend zu zeigen, wie man langfristige Pläne erstellt, sie klug umsetzt und konsequent durchhält. Glauben die Journalisten und all die anderen ernstlich, dass Frau Merkel und ihr Kabinett, oder gar die Regierenden und Planer in der Hauptstadt Berlin geeignete Vorbilder dafür sind?
Und: Wo lernen denn unsere jungen Leute bitte, Pläne zu erstellen, Selbstverantwortung zu übernehmen, abzuwägen, Entscheidungen zu fällen und Möglichkeiten für sich auszuschließen, um konsequenter handeln zu können? In der Schule? Im Elternhaus? Wenn überhaupt, dann lernen sie, diese Entscheidungen im Erwachsenenalter zu fällen, wenn entsprechende Aufgaben auf sie zukommen.
Und genau da beginnt die Verantwortung der anderen, der Erwachsenen, der Eltern- und Großelterngeneration: Manches ist dem jungen Menschen eben nicht vermittelt worden, und vielleicht zögert er deswegen, konsequent zu handeln. Oder anders ausgedrückt: Konsequentes Handeln ist kein Selbstzweck. Es muss zu Lust, Glück und Erfolg führen.
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