Die Woche: Dating-Konfusion für alle?
Die Welt des Online-Datings ist durcheinandergepurzelt – so sehr, dass ich mich eigentlich fragen müsste, ob die Menschen unter einer kollektiven mentalen Seuche leiden.
Glaubte ich den Medien, dann liefe das Volk dieser Erde einem Zunder-Stern nach – Tinder. Zwar bleibt die Frage offen, ob es mehr als ein Spielzeug ist. Doch die andere Frage, wozu man es spielt, ist relativ klar zu beantworten: Es ist, was es ist – ein „Tinder Fungus“, ein Zunderpilz, der zumindest die Illusion vermitteln soll, dass allzeit jemand darauf wartet – gevögelt zu werden. Um es klar zu sagen: Ich glaube kein Wort davon. So sehr sich Frauen heute auch emanzipiert haben mögen, so klar und deutlich sie gelegentlich ausdrücken, notgeil zu sein – abrufbereit für Fremde, die sich auf die schnelle ein feuchtes Vergnügen gönnen wollen, sind sie nicht. Wobei ich nicht behaupten will, dass alle Tinder-Männer nur vögeln wollen. Aber eben viel zu viele. Und im Übrigen: Es gibt Alterativen, die weder auf „Apps“ noch auf FACEBOOK basieren. (Damit Sie nicht denken, ich wäre von hinter gestern: Klar benutze ich Apps, wo’s sinnvoll ist).
Ich habe diese Woche etwas sehr Ungewöhnliches getan: Etwas nachgedichtet, das für alle gilt, die heute Online-Dating betreiben. Ich mag es wiederholen:
Versprich nichts und habe keinen Plan,
genieße die Liebe spontan.
Niemand ist auf deiner Seite.
Hänge nicht an jemandes Tropf.
Verlier nicht dein Herz – nutze deinen Kopf.
Niemand ist auf deiner Seite.
Es gilt für alle, die heute Online-Dating betreiben. Berater, Dating-Unternehmer, Freunde, bekannte und selbst ihre Kandidatinnen und Kandidaten sind nicht immer „auf Ihrer Seite“. Für mich ist gelegentlich schon sehr befriedigend, wenn jeder Partnersuchende selber weiß, auf welcher Seite er eigentlich steht und was er dort will. Und über Dating-Experten kann ich mittlerweile nur noch müde lächeln.
Dating-Unternehmen, so las ich dieser Tage im Stern, hätten meist sehr wenig Interesse daran, Partner zu vermitteln. Je länger sie nämlich bei der Stange bleiben (oder vergessen, Abos zu kündigen) umso mehr wird Kasse gemacht. Das ist zwar nur die halbe Wahrheit und gilt auch nicht für alle, aber mindestens für einen großen Teil der Dating-Unternehmen.
Warum man Ihnen heute etwas „vom Pferd“ erzählt
Vor einigen Jahren noch bliesen alle Experten für die Partnersuche ins gleiche Horn – heute hat die allgemeine Verwirrung über Online-Dating zu einer ziemlichen Verunsicherung geführt. So sehr, dass die Prognosen „quasi“ bei den Hoffnungen der Manager von Dating-Unternehmen abgeschrieben werden. Die Gleichung „Ich bin Manager in einem Dating Unternehmen, also bin ich Experte für die Partnersuche“ ist so lächerlich, dass die Pferde wiehern.
Warum Online-Dating wirklich wichtig ist
Ich will dennoch eine Lanze brechen für Online-Dating: Es ist, verdammt noch mal, der „Tanzboden für die „reifere Jugend“, also für alle, die über 30 Jahre alt sind. Und die haben seriöse Unternehmen mit fairen Geschäftsbedingungen verdient, zu denen sich übrigens nur ganz wenige Unternehmen der Branche verpflichtet haben. Dennoch kann man heute sagen, dass die großen Unternehmen der Branche immer noch die interessantesten sind, solange man als Suchender auf die Kündigungsfristen achtet. Wenn behauptet wird (und dazu noch aus einer alten, recht einseitigen Quelle), Männer wollten sowieso nur vögeln, dann muss ich als Mann mit Online-Dating-Erfahrung dagegenhalten. Ich will dies einmal so formulieren: Je mehr „Sofort-Ergebnisse“ erwartet werden, umso mieser ist die Qualität der Angebote. Die vor einiger Zeit auch in der Presse vertretene These, „der frühe Vogel fängt den Wurm“ gilt eben nur für Frauen und Männer, die sich ein paar Metschen aus der Wiese picken wollen. Vogelhochzeiten gehen anders.
Im Hirn scharf wie Pfefferschoten, nach außen hin Vanilleschoten?
Themenwechsel: Was dem „enen sin Uhl ist dem annern sin Nachtigall“ – und viele Menschen, ob in Beziehungen oder Single – träumen davon, dass ihre erotischen Fantasien erfüllt werden. Bekanntermaßen findet dies in den Vanille-Beziehungen der Verliebten, Verlobten und Eheleute nicht immer statt, und gelegentlich ist das auch gut so, weil die Vorstellungen mit der Realität nicht mehr zu vereinbaren sind. Und dann? Dann lesen die Menschen, vor allem Frauen. Erotische Literatur wurde und wird vor allem für Menschen geschrieben, deren „schräge“ Sinneslust im Wesentlichen im Hirn abläuft, wie beispielsweise eine erotische Züchtigung. Merkwürdig ist nur, dass die Etepetete-Mütterchen, die „Shades of Grey“ lesen, zwar Mr. Grey im Kopf haben, aber nicht dazu stehen, Mrs. Steel sein zu wollen. Und auch sonst nichts, was einer Chefsekretärin oder Bäckereiwarenverkäuferin schaden könnte.
Pornos, Huren und warum Blümchensex oft fade ist
Besser passt da schon ins Bild der Etepetete-Frau , dass Männer stets die Aggressoren, Frauen hingegen die Opfer sind – zum Beispiel in der Pornografie. Wasser auf die Mühlen der Feministinnen – und dennoch ein Unfug. Blümchensex taugt nun mal nicht für Pornos, nicht einmal für solche, die sich an ein weibliches Publikum wendet.
Eine Hure ist eine Frau, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen gegen Bezahlung vornimmt. Wer ist also keine Hure? Wer keine Bezahlung für sexuelle Handlungen annimmt, sondern sich aushalten lässt und dafür dem betreffenden Herrn ab und an seien Gunst schenkt. Einfach, nicht wahr? Vor allem, wenn ein Dating-Portal dazu einlädt.
Wie ich zu Anfang sagte, ist alles, was heute über Dating, Partnersuche oder die Branche geschrieben wird, ein Ergebnis der Konfusion, die durch neue Anbieter (Causal-Dating, Sex-Dating, Mischkonzerne, Telefon-Apps) und fragwürdige „Dating-Experten“ entstanden ist.
Paare finden sich hingegen immer wieder – und um einander zu finden, brauchen sie nach wie vor Unterstützung. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn die Branche selbst etwas gegen ihre „Schwarzen Schafe“ in den eigenen Reihen tun würde – aber dazu ist sie nicht im Geringsten bereit. Schade, wie ich meine.
(1) Norddeutsch für Regenwürmer.