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Romantik – aber schön war es doch

Wenn Paarpsychologen sich ein Bild von dem Pärchen machen wollen, das bei ihnen Hilfe sucht, dann fragen sie meistens zuerst: „Wie habt ihr euch kennengelernt?“

Sagt das Paar dann „online“ oder „durch PARSHIP“ oder etwas Ähnliches, so beginnt das Räderwerk natürlich auch im Kopf des Psychologen zu rattern: Was weiß er von „online“? Wie steht er zu „online“? Hat er – trotz psychologisch antrainierter Vorurteils-Blockade eventuell von vornherein Vorbehalte gegen Online-Paare?

Angeblich reagieren Online-Paare sogar höchst eigenartig, wenn man sie befragt, „wie sie sich kennengelernt haben“.

Der Gründungsmythos des Paares – das lustvolle Märchen

Ich muss Ihnen, falls sie kein Psychologe, Pädagoge oder Sozialarbeiter sind, zuerst etwas sagen: Jedes Paar hat seinen „Gründungsmythos“, den man auch als „romantisches Märchen“ bezeichnen könnte. Dieser Mythos hat mit der knochenharten Wirklichkeit oft nicht viele Gemeinsamkeiten, doch das Paar hat genau diese Geschichte als Ursprung ihrer Beziehung festgeschrieben. Wenn heute ein Zeitungsreporter ein Paar zu Goldenen Hochzeit fragt, „wie habt ihr euch kennengelernt?“ fällt dabei oft der Satz „es war Liebe auf den ersten Blick“ und manchmal wird einfach „auf Teufel komm heraus“ romantisiert. Wie so oft, überwiegen die positiven, verklärten oder eben auch „romantischen“ Aspekte dieser Begegnung – und das ist dann eben der „Gründungsmythos“.

Also: „Wie habt ihr euch kennengelernt?“, fragt der Psychologe. Und angeblich, so las ich, würden Online-Paare dann sagen, sie hätten sich „bei PARSHIP“ kennengelernt – die Verklärung würde fehlen. Und dann sagt beispielsweise der Paartherapeut Christoph Joseph Ahlers, (1)den ich wegen seiner Arbeit ansonsten sehr schätze:

Angemeldet, eingeloggt, gematched, angeschrieben, getroffen. Hat gepasst. Das war’s. Algorithmus hat funktioniert.

Ich weiß nicht, auf wie viele Fälle der Therapeut sich beruft, und ich muss zugeben, dass es tatsächlich Menschen gibt, die „dem Versprechen der Passgenauigkeit“ bei der der Partner-Mischerei glauben. Doch nicht alle Männer, die Partneragenturen nutzen, ziehen sich die Hosen mit der Kneifzange an und nicht alle Frauen den Rock mit der Pinzette. Ich denke sogar, dass die meisten Mitglieder solcher Online-Partervermittler trotz des „Partnerübereinstimmungstests“ noch über ein gesundes Beurteilungsvermögen verfügen. Der Paartherapeut hat einfach nicht recht.Das von ihm zitierte „Prinzip“ ist ein Klischee, das ungefähr so klingt, wie es die Partneragenturen im Internet gerne hätten.

Wie die Romantik wirklich entsteht – auch online

Im Lichte der Öffentlichkeit mögen Online-Partnervermittler zudem „unromantisch“ sein – doch das ist, mit Verlaub, ein dummes Geschwätz. Begegnungen sind nicht „von Grund auf“ romantisch – sie sind zunächst nichts als Zufälle. Ob Sie (falls Sie ein Mann sind) Damen zum Tanzen aufgefordert haben, sie bei einer Vernissage ansprachen oder sich unter den jungen Verkäuferinnen von Warenhäusern umgesehen haben. Denn in Wahrheit war keine Ihrer Begegnungen „von vornherein“ romantisch. Vielmehr entsteht die Romantik – wie ich schon oft schrieb – aus der Rückschau.

Der „romantische Moment“ entsteht beim Online-Dating während der ersten Begegnung des neuen Paares, und zwar exakt dann, wenn die anfängliche Unsicherheit und Zurückhaltung in den Wunsch nach Intimität übergeht. Die Realität ist profan: Es ist der Moment, indem beide ihr Kulturkorsett der dezenten Gesprächsführung ablegen und gegenseitig ihre Begierde durchschimmern lassen. Sollte dies nicht der Beginn einer Beziehung sein, wird alles wieder vergessen. Aber wenn die erotische Stimmung in eine dauerhafte Beziehung mündet, dann zwar es eben „das Romantische“ an dieser „einmaligen“ Begegnung.

Romantik: Es war so schön …

Sehen Sie –„aber schön war es doch …“, und in der Erinnerung sowieso. Und so stehen die klugen Kulturmenschen eben da: Sie wissen, dass alles im Grunde eine Täuschung unseres Gehirns ist, aber sie lassen zu, es als „romantische Erinnerung“ zu pflegen. Oh, ich bin nicht frei davon. Aber ich würde nie sagen: Ich habe meine Ehefrau bei … kennengelernt. Denn kennengelernt habe ich sie erst auf dem Flughafen, oder während des Gummibärenorakels, bei der ich lauter rote Bären gezogen habe, oder während des Feuerwerks, oder … nein, keine Hoffnung, ich plaudere nicht aus der Schule.

(1) Zitat von C. J. Ahlers aus „Himmel auf Erden & Hölle im Kopf“, München 2015, Seite 265.

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