Liebe konservieren? Nein, aufs Verfalldaten achten …
Gefühle kann man nicht konservieren, weil sie sich ständig wandeln. Dennoch fragen sich nach Tausenden zählende Paare: Wie kann man die Liebe dauerhaft konservieren? Es ist eine Mischung aus Küchenpsychologie, Religionsresten, Kitsch und Volksglaube: Die Liebe muss immer gleich bleiben und dabei ewig währen, sonst taugt sie nichts.„Die Liebe unsterblich zu machen“ klingt wie ein Satz aus einem Groschenheft – und da gehört er auch hin. Denn „die Liebe“ gibt es schon deshalb nicht, weil daran zwei „Lieben“ beteiligt sind – Ihre und Seine. Zusätzlich ist allerlei Wandel daran beteiligt: neben den Lebensbedingungen auch hormonelle Veränderungen – und schließlich auch das Altern. Das Hauptproblem aber ist: Keiner kennt die Liebe des „Anderen“ wirklich, nicht einmal die des „Nächsten“, um es biblisch zu sagen.
Liebe ist kein fest definiertes Gefühl
Ein bisschen verallgemeinern kann man schon, wenn man will. Denn die Liebe ist zunächst einmal gar kein fest definiertes Gefühl. Der Wunsch nach einem Partner ist im Grunde bilogisch bedingt, nicht kulturell. Also ist es die Geilheit, die uns aufeinander zu und ineinander hinein treibt. Sowohl die sanft-verklärte Form der Verliebtheit, Romantik genannt, wie auch die wildeste Wollust ekstatischer liebender Paare entspringen nicht der Liebe, sondern verschiedenen Formen der Verliebtheit. Die Verliebtheit aber hat wenig mit Liebe zu tun, sondern eher mit einem hormonal bedingten Realitätsverlust, den die Evolution uns hinterlassen hat. Es gibt „Verfalldaten“ für das Händchenhalten, die erste feuerwerksähnliche Leidenschaft, für die Bewunderung des Anderen, für den Aufbau des „Wir“. Ja, es gibt sogar ein Verfalldatum der „Ausschließlichkeit“.
Haltbarkeitsgarantie für die Liebe durch Psycho-Orakel?
Nachdem dies klar ist: Kann man eine lange, schöne Liebe voraussagen und kann man sie „konservieren“ im Sinne von „den Zersetzungsprozess zu verhindern“?
Beginnen wir mit der Vorhersehbarkeit. Paare, die einander sozial und emotional gleich sind, haben angeblich gute Chancen. Dazu meint PARSHIP(1) in seinem Blog:
Für die langfristige Zufriedenheit sind vor allem bestimmte Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen und Gewohnheiten – also Persönlichkeitsmerkmale – entscheidend.
„Meint“ ist hier der einzig richtige Begriff. Und falls Ihnen dies nicht aufgefallen sein sollte: Es ist von „langfristiger Zufriedenheit“ die Rede, nicht von Liebe.
Das Argument an sich ist hochgradig umstritten. Sogar recht konservative Paartherapeuten, wie Hans Jellouschek geben zu bedenken, dass die erotische Attraktivität eher vom Fremdheit als von Gemeinsamkeit bestimmt wird. So sagte Jellouschek (2):
Die Spannung des Anfangs macht vor allem das Neue und Unbekannte aus. Wenn man sich aneinander gewöhnt hat, geht diese Spannung leicht verloren.
Man könnte auch sagen: Unterschiedliche Paare sind wilder, neugieriger und abenteuerlustiger als ihre „gleichen“ Gegenparts, vor allem, wenn es um die „Persönlichkeitsstruktur“ geht.
Gleich und Gleich gewinnt scheinbar und verliert dennoch
Fragt sich nun, ob all dies Einfluss auf die Dauer der Beziehung hat, und hier schienen die Psychologen zu gewinnen, die auf dem „Gleichheitsgrundsatz“ herumreiten. Sie unterstellen in der Regel gegensätzlichen Partnern heftige Affäre mit enormem Lustgewinn, die bald wieder verpuffen. Sehr ähnliche Partner hingegen würden zwar nicht so lustvoll, dafür aber beständiger lieben. Diese Psychologen nutzen dabei das Empfinden des Volkes: Klar sind Affären kurz, klar sind sie heftig und natürlich halten sie nicht.
Auf der anderen Seite langweilen sich Menschen mit „gleichem“ Psycho-Profil oft so sehr miteinander, dass es gar nicht erst zur Möglichkeit der körperlichen Nähe kommt. Sie kommen also gar nicht über den ersten Schritt (oder das erste Date) hinaus. Was nicht zustande kommt, kann auch nicht halten. Und: Nach wie vor bleibt uns die Psychologie den Beweis schuldig, dass sich Paare mit „ähnlichen“ Eigenschaften besser verstehen. Um es klarer zu sagen: Die angeblich „gleichen“ oder „ähnlichen“ Eigenschaften werden zumeist nicht einmal explizit genant – angeblich, um Firmengeheimnisse zu wahren.
Wohlfeile Konserve „Liebe“?
Und die Konservierung?
Selbstverständlich ist es nichts als ein journalistischer Trick, von „Konservierung der Liebe“ zu sprechen. Da die Liebe erstens dynamisch ist, zweites in zwei Personen lebt und drittens Schwankungen und Veränderungen gibt, kann man Liebe nicht „konservieren“. Auch hier bringt es Herr Jellouschek (2) auf den richtigen Nenner:
Man muss etwas dafür tun, dass … (die Liebe) … bleibt, sie wachsen und gedeihen kann.
Liebe muss also „dynamisch“ gesehen werden, und das Paar muss zulassen, dass sie sich ändern und entwickeln kann. Wachstum lässt sich nicht durch Entzug der Ressourcen stoppen.
Sehen Sie: Ein heutiges Paar besteht aus zwei starken Persönlichkeiten, die gemeinsam ein „Wir“ aufbauen, aber deshalb nicht ihre Persönlichkeiten verlieren. Sie lieben sich selbst, sie lieben den anderen, und sie lieben es, als Paar glücklich zu sein. Sind sie halbwegs realitätsnah und psychisch zuverlässig, so können sie dies vermutlich erkennen. Wenn nicht, kommt es zu Verwirrungen und Katastrophen.
Liebevolle Pflege und rückhaltlose Hingabe
Das ist das Eine. Das Andere ist: Liebe, Lust und Leidenschaft benötigen Pflege, aber auch rückhaltlose Hingabe. Ob da des Therapeuten feines Rezeptbüchlein hilft? Möglicherweise. Denn nur, wenn Paare bei allem Aufbau des „Wir“ ihr „Selbst“ im Auge behalten und beide einander auch mal Wünsche erfüllen, die nicht unbedingt zum „Wir“-Repertoire gehören, bleibt die Liebe lebendig, frisch, erfüllend – und manchmal eben auch leidenschaftlich.
(1) Zitat aus dem PARSHIP-Blog, das die Springer-Veröffentlichung (2) als Grundlage verwendet.
(2) Zitate aus „DIE WELT“
(3) Bild: Unter Verwendung eines US-Propagandaplakats aus dem Zweiten Weltkrieg, satirisch verändert.