Statt dessen: Hört die Worte der Liebe, nicht die Doktrinen
Heute habe ich keine Kolumne „die Woche“ für Sie … aber eine Botschaft. Sie heißt: „Hört die Worte, nicht die Doktrinen“ und wird dem Jazz-Genie Charly Parker („Bird“) zugeschrieben.
Die treuen Soldaten der bürgerlichen Armee
Hören wir denn die Botschaften, die uns unser Körper, unsere Gefühle und letztendlich auch unsere Vernunft uns sendet? Vermutlich nicht. Die Ängstlichen orientieren sich an dem, „was die Leute sagen“ und passen sich dem gesellschaftlichen „Mainstream“ an. Die Möglichkeit des Andersseins, noch mehr aber die Möglichkeiten des Andersfühlens und Andersdenkens werden ausgegrenzt. Wir sind, mal mehr und mal weniger, treue Soldaten der bürgerlichen Gesellschaft und tragen unsere feldgrauen Uniformen der Wohlanständigkeit.
Wir sind jenen hörig, die uns drängen, mehr zu lernen, länger zu lernen und härter zu lernen. Wir lassen uns in eine Arbeitswelt pressen, die uns ständig Höchstleistungen abnötigt, aber keine Sinneslust gewährt. Unser Naturrecht, uns über uns selbst zu definieren, haben wir an die Gruppe abgetreten, und die Gruppe hört wieder auf die Medien und Autoritäten.
Die anderen bestimmen, wer wir sind – und wir selbst?
Erkenne dich selbst? Das ist zu einer Farce geworden. Ich habe bestenfalls zwei Hände voll Menschen gesprochen, die sich im Lichte ihres Selbst sehen und dafür eintreten, dass wir anderen es auch versuchen sollten. Die große Masse sieht sich im Lichte der anderen – oder jedenfalls in jenem Licht, von dem sie glauben, dass sie die anderen darin sehen.
Wie man uns die Liebe ausreden will
Liebe ist ein kühner Versuch. Ein Versuch, der über alle Grenzen hinaus führen kann. Liebe ist ein wundervoller Höhenflug – sicher auch mit der Möglichkeit, sich die Flügel zu verbrennen. Warum nicht? Die Federn wachsen normalerweise nach. Liebe ist einfach eines dieser tollen Wagnisse, in denen wir uns ganz als Person fühlen können.
Doch genau das sollen wir nicht. Wir sollen uns diesen widerwärtigen und menschenfeindlichen Tests unterziehen, die spitznasige Propheten einer höchst fragwürdigen „Wissenschaft“ angeblich zu „unseren Besten“ entwickelt haben. Dann sollen wir lieben – aber bitte die Personen, die zuvor ausgewählt wurden. Der Höhepunkt der gedanklichen Perversion: Wenn sie uns dann nicht gefallen, dann fühlen wir falsch. Die Botschaft, immerhin dutzendfach hinausgetrötet: „Wir irren uns nicht –nur ihr lächerlichen Würstchen da draußen, ihr könnt damit nicht richtig umgehen.“
Wir sollen denken, was vorgedacht wird
Das Korsett der Doktrinen engt uns ein – und wir? Wir akzeptieren es, ohne auch nur nachzudenken, geschweige denn, dagegen zu protestieren. Wir das „Ende der Liebe“ proklamiert, so klatschen unsere arrogant verwissenschaftlichten Kulturhoheiten frenetisch Beifall. Und auch die Wissenschaften haben einen Ausweg gefunden: Das meiste, was uns quält, ist auf den Kapitalismus zurückzuführen, und der Rest unserer Probleme besteht offenbar darin, dass uns der geistige und emotionale Sozialismus noch nicht absolut gleichgemacht hat. Wir erkennen nicht, dass wir längst dem „Großen Bruder“ gehorchen, der uns sagt, „sozial korrekt“ zu sein. Wir haben die Definition des Menschseins, die Liebe durchaus eingeschlossen, längst an die Institution des „Großen Bruders“ übergeben, der uns per Zeitungsbericht und Internet mitteilt, wie wir zu sein haben – und was uns offenbar gefährdet.
Weichen wir doch ab – niemand hindert uns
Ist das nicht völlig lächerlich? Haben wir dies einseitige Weltbild verdient? Sind wir nicht mehr kompetent genug, unser eigenes Leben in die Hand zu nehmen und dahin zu führen, wohin wir es führen wollen? Das Erstaunliche: Es gibt kaum jemanden, der uns daran hindern würde. Wir können das Schulwissen jederzeit (und dies bereits als Jugendlicher) aufbrechen, könnten andere sein, anders fühlen und anders denken. Wer sagt denn, dass wir damit keinen Erfolg haben würden? Wer sagt, dass wir damit keine Liebe gewinnen würden?
Wir hindern uns offenbar selbst daran, zu werden, wie wir werden könnten, wenn wir uns trauen würden. Sehr schade, wirklich.