Ein Jahr lesbisch fühlen und denken – das Buch
Die reine Lust an einer anderen Frau bedeutet für Frauen nicht dasselbe, wie sich zu einer „sexuellen Orientierung“ < zu bekennen. Dieser Unterschied ist allerdings vielen Frauen nicht bewusst, und er führt in allen Altersgruppen zu Unsicherheiten. In einem simplen Satz zusammengefasst lautet die Frage dann: „Bin ich lesbisch, wenn ich manchmal Lust auf eine Frau habe?“ In der neuen, angeblich so liberalen Zeit ist es üblich geworden, sich zum „lesbisch sein“ zu „bekennen“, geradezu so, als würde man zu einer neuen religiösen Überzeugung konvertieren. Ob das nur eine kurzlebige PR-Aktion ist oder aus tiefster Seele kommt, soll hier nicht diskutiert werden. Doch was tut eine Hetero-Frau, die gelegentlich eben auch Lust auf Frauen hat, weil sie es einfach schön findet? Sie schweigt darüber und schämt sich, weil genau das gesellschaftlich nicht vorgesehen ist und weil es nach wie vor geächtet wird. Gerade ist ein
Buch herausgekommen, das vielleicht etwas Licht in die Welt jener Frauen bringt, die als „heteroflexibel“ gelten. Ob es lesenswert ist? Ich weiß es noch nicht. Aber es ist bereits heute, einige Tage nach Veröffentlichung, heiß umstritten, weil es manchen Frauen mit erklärtem lesbischen Lebensstil nicht passt. Ich denke, Frauen mit „heteroflexiblem“ Lebensstil, oder einer „fließenden Geschlechtsorientierung“ sind häufiger, als allgemein angenommen wird, aber es ist unmöglich, sie zu erfassen. Denn anders als Frauen mit lesbischem Lebensstil lassen sie sich nicht in die üblichen „Schuhkartons“ einzuordnen, so wie Jazzfans, die auch in Symphoniekonzerte gehen oder Vegetarier, die gerne einmal einen Fisch essen.