Und Sie wünschen sich Glück? Warum nichts Besseres?
Mit kaum etwas auf dieser Erde wird so verschwenderisch umgegangen wie mit Worten. Derzeit gibt es Bücher über Bücher … zu Themen, die völlig ausgelutscht sind. Eines dieser Themen ist Liebe – das andere ist Glück.
Beide Themen haben eine Gemeinsamkeit: keine sicheren Grundlagen. Normalerweise baut man keine Wohnhäuser in ausgewiesen Überschwemmungsgebiete, sondern nur Baracken und Gartenhäuser. Das gilt jedoch nicht für Autoren, Verleger und Buchhändler: Das dumme Volk will, dass etwas gebaut wird auf dem matschigen Sumpf der Dummheit, also schreibt „man“ etwas! Verlegt etwas! Verkauft etwas!
Je unfassbarer das Thema, umso mehr macht sich jeder daran, sein Buch zu schreiben, seine Sichtweise dazulegen. Es ist ein aufgequollenes, überwiegend dummdreistes Geschwätz, das da über das Glück niedergeht – ebenso dumm und dreist wie all das, was wir aus Tausenden von Plappermäulchen zur Liebe hören mussten. Warum wir es überhaupt behandeln? Weil es unser Recht ist, nach unserem Glück zu suchen – und eben nicht das Recht der Mächtigen, es uns vorzuschreiben. Das heißt, wir können selber definiere, was wir für Glück halten. Das gilt im Prinzip auch für die Liebe. Wir haben gelernt, verlernt und wieder Neue erlernt, dass „ein jeder seines Glückes Schmied“ ist. Selbstverständlich könnten wir auch sagen, dass Glück einfach Zufall ist, und dass man es sich nicht verdienen kann. Allerdings lebt es sich wesentlich besser, wenn wir zumindest glauben, dass wir an unserem Glück schmieden können. Wir verteidigen unseren Anspruch auf unseren höchst privaten Glücksbegriff noch tapfer gegen den politischen Linksterror, der uns kollektives Glück in den Hintern pressen will und gegen eine Konsumgesellschaft, die uns Flitterkram als Glück verkaufen will. Wie lange noch?
Niemand zwing uns zum Glücklichsein
Wenn wir uns und einander Glück wünschen, dann bedeutet dies, dass unsere Dinge, wie immer wir sie sehen, gut ausgehen mögen. Es bedeutet nicht, dass wir zum „Glücklichsein“ gezwungen werden. Wir verwechseln gerne das Gefühl, verliebt zu sein, mit der Liebe – eine Folge der Evolution, und damit bisweilen unvermeidbar. Aber ich sehe keinen Anlass, warum wir das „Gefühl, glücklich zu sein“ mit der Hoffnung, unsere Dinge glücklich zum Ziel zu bringen, verwechseln sollten.
Der Sinn des Lebens ist kaum „Glück“
Ist der Sinn des Lebens, „glücklich zu sein?“ Ist schon ein König, wer im Glücksgefühl badet? Ich bezweifle es sehr.
Ein sinnreiches, erfülltes oder auch nur „nicht-spurloses“ Leben ist sicher erstrebenswerter als ein glückliches Leben. Wer seinem Leben Sinn geben will, braucht mehr als Glück, und wer den Sinn seines Lebens auf das Glück reduziert, versäumt viele erregende Momente, die mit der „Kraft des Seins“ zusammenhängen.
Wenn Sie sich Glück wünschen, und dieses Glück jeden Tag und vielfältig erfahren, haben Sie einen Bonus, und er heißt „Zufriedenheit“. Ich neide Ihnen dieses Leben nicht – Sie haben es so gewählt, und es ist gut für Sie.
Wenn sie sich aber Glück wünschen und ihm ständig nachrennen, Bücher darüber kaufen und sich den Kopf zerbrechen, warum andere mehr Glück haben als Sie – dann bedauere ich Sie. Sie sind einem Irrtum verfallen: Es ist nicht das Glück, dem sie nachlaufen, sondern sie wollen irgendwo „aufschließen“ wo ander schon sind. Das ist nun wirklich kein Glück.
Ich gebe Ihnen gerne zu, dass etwas Glück zum Leben gehört. Begleitet es sie nicht, müssen Sie schrecklich kämpfen. Falls dies auf sie zutrifft: Nahmen Sie entweder hin, dass das Glück nicht „mit Ihnen“ ist, oder überlegen sie, warum Sie es ständig verjagen.
Sehen Sie, sich könnten sich etwas Besseres als Glück wünschen: Einen Sinn im Leben zu entdecken, zum Beispiel. Oder Verständnis und Weisheit zu erlangen.. Oder einfach ein Leben zu machen, dass sich für Sie selbst und andere lohnt.
Glück? Vergessen Sie es am besten sofort. Es sei denn, es begleitet sie. Dann seien Sie bitte dankbar dafür.
Hinweis: Der Artikel erscheint möglicherweise abgewandelt in mehreren Publikationen.