Mann mit Macken gesucht – oder Frau mit kleinen Fehlern
Menschen, die Ihr Geld nahezu ausschließlich mit Denken verdienen, gelten als introvertiert, was nicht heißt, dass der Rest der Menschheit extravertiert ist. Das tägliche Klären, Verknüpfen und Trennen von Gedanken führt oftmals zu skurrilen Denkstrukturen. Das muss so sein, sonst würden wir keine Musik und keine Gemälde genießen können – und sonst können sie auch diesen Beitrag kaum lesen.
Wer ist Meschugge? Der Spießer oder der Exzentriker?
Grundsätzlich gilt heute jeder als meschugge, der sich nicht an die „Mainstream-Denkweise“ hält. Die heißt: Viel Zeugs lernen, damit man einmal viel Geld verdient und sich ein tolles Leben leisten kann. Aber eigentlich sind diejenigen meschugge, die sich daran halten: Sie werden nämlich nicht glücklicher als die anderen. Das könnte vor allem daran liegen, dass durch die frühen Scheuklappen, die man den Schülerinnen und Schülern heute anlegt, wesentlich Fähigkeiten verloren gehen.
Wer mit Gott redet, ist OK, wer mit weißen Wänden redet, hat eine Macke – oder umgekehrt?
Wenn jemand zu leeren Wänden, Bäumen oder meinetwegen Gott redet, tut er etwas Gutes für seine Psyche – aber die meisten Menschen meinen, zumindest die Personen, die zu weißen Wänden reden, seien verrückt. In Wahrheit benötigen sie dies, weil die weißen Wände sie daran erinnern, dass es noch viel zu beschreiben gilt. Das können Sie nicht, wenn bei Ihnen acht Stunden am Tag der Fernseher läuft.
Haben Sie Mut – suchen Sie einen Menschen mit Macken
Vielleicht habe ich Ihnen nun ein bisschen Mut gemacht, sich einen Menschen mit(kleinen) Macken zu suchen – konkreter: einen Menschen, der sich seines Andersseins bewusst ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist er längere zeit seines Lebens Single gewesen, ist kreativ und neugierig und von sich selbst restlos überzeugt.
Wenn Sie nun glauben, dass es schwer ist, mit einem solchen Menschen zurechtzukommen, kann ich Ihnen dies verraten: kein bisschen, wenn sie ihn so lassen, wie er sein will. Es ist durchaus möglich, dass Sie Pfarrer, Beamte, Psychologen und manch andere Angehörige der Gruppe der Moralisten, Edelmenschen, Ideologen und Anpassungsfetischisten als Freunde verlieren. Wenn sie auf die möglicherweise verzichten können, dann ist schon der erste Schritt getan.
Keine Sorge – er mag merkwürdig sein, aber er ist nicht arm und blöd
Es ist möglich, aber nicht sicher, dass Ihr „Exzentriker“ oder ihre „Exzentrikerin“ nicht soviel erreicht hat, wie zwei bis drei andere seines/ihres Jahrgangs, die Sie kennen. Aber er/sie hat vermutlich mehr erlebt, erfahren und erdacht als die meisten anderen.
Der Mensch, der sich zu seinem „Anderssein“ bekennt, muss nicht arm sein oder schlecht verdienen – das ist ein weitverbreitetes Vorurteil und kommt gleich nach der unsinnigen Behauptung, er sei „Schwierig im Umgang“.
Eine Frage der Sichtweise
Vielleicht sehen Sie dies bitte einmal so: Der Lehrer, den Sie vielleicht kennen, ist zur Schule gegangen, dann ist er zur Hochschule gegangen und von dort zurück zur Schule. Er wird Ihnen sagen: „Wieso, das ist doch absolut normal?“ Doch wenn sie weiter mit ihm reden (beispielsweise bei einem Date) werden Sie vielleicht finden, dass er „schwierig im Umgang“ ist.
Sehen sie, und für den Exzentriker ist es eben absolut normal, in vielen Ländern gelebt zu haben, in mehreren Berufen tätig gewesen zu sein und zahllose skurrile Erfahrungen gemacht zu haben. Falls sie einen oder eine davon einfangen sollten, könnte er/sie sich als ausgesprochene einfach im Umgang mit Ihnen erweisen. Es liegt an Ihnen, ob es für SIE funktioniert.
Wie ich schon andeutete: Treten Sie ihm nicht mit der Stiefelspitze in seine Psyche, und lassen Sie zu, dass Diskussionen „Remis“ ausgehen. Dann haben sie ihn oder sie vielleicht für immer – und seine/ihre Macken ertragen Sie, da bin ich ziemlich sicher.