Tinder und andere Dating-Apps: Was ist wahr an dem „Hype“?
Derzeit ist es schwer, in der von PR-Leuten beeinflussten Presse Objektives über Tinder und andere Applikationen zu finden, die – zumindest wir – dem Dating-Bereich zuordnen.
Aus dieser Sicht ist zu begrüßen, wenn jemand wenigsten versucht, objektiv zu sein – und hier muss ich den Österreichischen Rundfunk, ORF loben. Lesen Sie einfach den Artikel, aus dem hier auch mehrfach zitiert wird.
Nüchtern betrachtet ist Tinder ein Zufallsgenerator, der angeblich (aber nicht bewiesenermaßen) „passende“ Paare zusammenführen kann. Wer weiß oder ahnt, worauf die „Passung“ basiert, wird nun vermutlich in sich hineinlächeln: Es sind angebliche Gemeinsamkeiten, die aus FACEBOOK-Accounts generiert wurden. Ob dort nach wie vor die Formel gilt: Schostakowitsch ist Musik und Lena Meyer-Landrut auch, also passen wir gut zusammen, weiß ich nicht – es könnte aber sein. Der ORF meint, Tinder sei „Hot or Not“ in Neuauflage – übrigens wird das Prinzip der Fotobewertung auch von zahlreichen anderen Seiten benutzt. (Willst du sie treffen? Ja/Vielleicht/Nein).
Wie ich bereits schrieb, sind die Gründer von Tinder sehr erpicht darauf, nicht in die Nähe von „Hookups“, also Begegnungen mit Sofortsex, gebracht zu werden. Der ORF schreibt:
Damit kontert Mateen (1) auch der immer wieder aufflammenden Kritik, dass Tinder nichts anderes als eine Aufreiß-App sei, die Teilnehmer allesamt auf One-Night-Stands aus seien, und die Plattform ohnehin bald von Prostituierten zur Geschäftsanbahnung erobert werde.
Im Grund genommen ist es völlig gleichgültig, wer einmal den Markt der Prostitution erobern wird – aber er wird auf das Smartphone andern, so wie die Anbahnung der Prostituierten und Escorts auch ins Internet gewandert ist.
Der gegenwärtige Haken an allem Getinder scheint eng mit der Frage verwoben zu sein, warum man sich einen Etepetete-Anstrich gibt, und auch hier gibt der ORF Auskunft:
Ob die Tinder-Erfinder ein erfolgreiches Geschäftsmodell finden oder ob sie irgendwann genügend User haben, um – ähnlich wie Whatsapp – für eine Übernahme durch einen der großen Player interessant zu sein, wird sich zeigen.
Wenn die Frage der App-Gründer gegenwärtig eher ist „Wie kann ich mein Kundenpotenzial gewinnbringend verkaufen“ als „“Wir kann ich ein Geschäftsmodell aus meiner Idee entwickeln?“ dürften die Antworten klar sein. Um zu verkaufen, darf die App auch nicht den Anschein der Anrüchigkeit haben.
Was sonst wahr ist? Nun, erstens, dass um Tinder gegenwärtig ein „Hype“ entstanden ist. Und zweiten, dass dieser Hype überwiegend weder etwas mit „Dating“ noch mit „sozialen Kontakten“ zu tun hat, sondern dem Spieltrieb entspringt. Das soll keinesfalls heißen, dass es keine Dates, keine Flirts und keine ONS via Smartphoneapps gibt. Nur sind eben alle von der Qualität, von der FACEBOOK-Profile sind: oberflächlich und geschönt.
Wie ich gestern erfuhr, soll es aber doch eine Flirt- und ONS-Möglichkeit geben, die noch kaum benutzt wird: Frauen über 50 sind selten FACEBOOK- und Dating-App-Benutzer, junge Männer unter 30 aber umso häufiger. Viele „Wischs“ in die richtige Richtung (nur die absolut miesen aussortieren, alle anderen akzeptieren) – und schon steigt die Hoffnung der Frau über 50, auch vermittels App einen Mann für mindestens eine Nacht zu finden.
Weitere Informationen auch im Guardian.
(1) Einer der Gründer von Tinder.