Forschung, Orakel oder Missgriff?
Die deutsche Presse ist inzwischen bekannt dafür, wahllos Forschungsergebnisse aufzupicken und als unumstößliche Wahrheiten neue zu verpacken. Anlässlich eines aktuellen Falls will ich Ihnen einmal aufzeigen, wie fragwürdig das ist, was in den deutschen Zeitungen als „Forschung“ vermarktet wird.
Guck mal, wie der guckt – auf Fotos, auf Brüste?
Gehen wir einen Schritt in die Vergangenheit: Seit Jahrzehnten glauben Forscher, Erkenntnisse über die menschliche Partnersuche finden zu können, indem sie Studentinnen und Studenten Fotos zeigen, um dabei festzustellen, wen sie wählen würden. Diese Methode ist eine Farce, weil Menschen nicht nach Fotos, sondern nach der lebendigen Erscheinung entscheiden, wer zu ihnen passen könnte – und dann kommt noch dies hinzu. Denn: jemanden schön oder attraktiv zu finden ist eine Sache, ihn zu heiraten eine andere. Dennoch wird diese Luftnummer immer wieder vermarktet, zuletzt in der Behauptung, Männer würden Frauen „eher auf die Brüste sehen als ins Gesicht.“
Forscher folgen Marketing-Erkenntnissen – ist das seriös?
Weil nun Forscher gewohnt sind, aus solchen Nichtigkeiten „Forschungsergebnisse“ zu erzeugen, haben sie sich an Marketingstrategen angehängt, die ebenfalls glauben, aus winzigen Verhaltensdetails Menschenbilder erzeugen zu können. Gemeint sind Amazone, Google und vor allem FACEBOOK.
An dieser Stelle kommt nun der Königstrick: Forscher, die FACEBOOK „untersucht“ haben, behaupten, in diesem Netzwerk eine verlässliche Quelle für weitere Forschungen gefunden zu haben – und erklärten blitzschnell FACEBOOK zu einer „verlässlichen Quelle“.
Menschenbilder aus dem „Klickverhalten“?
Man muss dazu wissen, dass FACEBOOK und andere soziale Netzwerke ihr Geld damit verdienen, das Verbraucherverhalten zu analysieren und dann entsprechende Produkte zu bewerben. Diese Strategie kann erfolgreich sein (sonst würde man es nicht tun), aber sie funktioniert nicht bei jedem Konsumenten. Insbesondere aber ergeben sich aus den dürftigen Interessen und dem Klickverhalten keine „belastbaren“ Persönlichkeitsbilder – und also kann man daraus auch keine verlässlichen Forschungsergebnisse bekommen. Das allerdings interessiert Forscher nicht die Bohne. Das jüngste Beispiel, das durch die gesamte Presse ging, war das angebliche Forschungsergebnis, Männer würden Sex-Dating (Casual Dating) bevorzugen, während Frauen sich für die seriöse Partnersuche interessieren würden. Bereits ein einfacher Logik-Abgleich hätte genügt, um dieses Ergebnis zu falsifizieren: Bei der sogenannten „seriösen Partnersuche“ halten sich in Wahrheit Frauen und Männer die Waage, während das Ungleichgewicht bei typischen Casual-Dating-Portalen zutrifft, wenn man aktive, zahlende Mitglieder rechnet.
Interessant dabei ist ja, dass es der „Forschung“ auf FACEBOOK gar nicht bedurft hätte. Denn seit Jahren ist das Verhältnis der Geschlechter in halbwegs seriösen Partnerportalen ausgewogen. Gewisse Diskrepanzen existieren bei Casual-Dating-Portalen, und ein völliges Ungleichgewicht ist bei den „typischen“ Abzockportalen festzustellen, die notgeilen jungen Männern vorgaukeln, es gäbe dort „jede Menge heiße Miezen“.
Forschung oder eher „ein Griff ins Klo?“
Ohne den Damen und Herren Forschern zu nahe treten zu wollen: In Bordellen sind die Männer den Frauen zahlenmäßig überlegen, beim Männerstrip hingegen gibt es deutlich mehr weibliche Zuschauer als männliche. Wenn man dies „beforscht“ und zwei Mal durch die Fleischmühle dreht, dann könnte man sagen: Männer wollen nichts als vögeln, Frauen begeistern sich an schönen Körpern.
Forscher können – wie wir alle – mal in die Pampe greifen – nur: was da angeblich „beforscht“ wurde und eher einem Orakel entspricht, wird in der Presse in Windeseile verbreitet – da würde nicht einmal mehr nützen, wenn man zugeben würde, einen „Griff ins Klo“ getan zu haben.
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