PARSHIP entdeckt den Wert der Sexualität
Partnersuche nach vermeintlich psychologischen Gesichtspunkten mit einem Quäntchen bürgerlichen Wohlanstands? Das schienen jahrelang die Grundpfeiler namhafter Online-Partervermittlungen zu sein. So recht glaubwürdig war dies nie, denn selbst Mitarbeiter der Vermittlungen mussten zugeben, dass ein „perfektes Matching“ nicht unmittelbar zur Liebe führt. Man munkelte sogar, dass die psychologischen Bewertungen eher zu Kumpelbeziehungen zwischen Gleichgesinnten als zu heftigen Liebesbeziehungen führen könnten.
Dagegen allerdings spricht von jeher, dass nur ein recht kleiner Teil der Partnersuchenden an die Verbindlichkeit der psychologischen Tests glaubte. So gibt es seit Jahren Gerüchte, dass eine zu hohe Zahl an „Matchingpunkten“ nur sehr selten dazu führte, dass beim Date die Funken sprühten.
Dafür sprechen neuere Annahmen, die davon ausgehen, dass psychologische Persönlichkeitswerte nur zu einem geringen Teil relevant für Beziehungen sind. Als neues Ideal gilt ein Dreiergespann aus emotionaler Nähe (Geborgenheit), erotischen Verlangens (Sexualität) und der Verbindlichkeit einer Beziehung (Treue). Wie die Partneragentur PARSHIP mitteilte, dufte eine Studentin der Hochschule Fresenius Hamburg dazu 14.000 PARSHIP-Mitglieder befragen.
Mit der neuen Theorie der „vollkommenen Liebe“ ist zwar die „Gleichheitstheorie“ nicht vom Tisch, die von Partneragenturen und einem Teil der Psychologen in den letzten Jahre übermäßig strapaziert wurde, doch hat sie einen anderen Stellenwert bekommen.
Zur Erinnerung: Die Gleichheits- oder Ähnlichkeitstheorie würde gerne beweisen, dass Paare mit ähnlichen Eigenschaften besser zueinanderpassen als Paare, die unterschiedliche Eigenschaften haben. Doch Paartherapeuten und psychologische Forscher waren sich in diesem Punkt niemals einig: Gerade aus dem Kreis der Paartherapeuten, die normalerweise gefährde Paaren näher stehen als psychologischen Forschern, gab es stets Einwände gegen die Version, gleiche Eigenschaften würden Paarbeziehungen begünstigen.
Die Rolle der Sexualität – größer, als bisher angenommen
Ob nun die Sexualität eine so große Rolle spielt, wie die junge Studentin in einer Bachelor-Arbeit festgestellt haben will, mag ebenfalls zweifelhaft sein. Viel wichtiger an dieser Studie ist die Tatsache, dass sexuelle Anziehung eine weitaus größere Rolle spielt, als dies von den Partneragenturen bisher angenommen wurde.
Diese Agenturen mussten sich in der Vergangenheit oft dem Vorwurf aussetzen, sie würden der „Vernunftehe“ (Konvenienzehe) des 19.Jahrhunderts erneut zum Durchbruch verhelfen. Das war ebensolcher Unsinn wie die gegenteilige Behauptung, das die moderne Internet-Partersuche würde „die Romantik zerstören“. Tatsache aber war und ist, dass die Agenturen mit ihren angestaubten Fragebögen und der darin verborgenen Ausrichtung bürgerlich-konservatives Denken in die Partnersuche einbrachten.
Wenn die Sexualität jetzt durch die Agenturen entdeckt werden sollte, so bedeutet dies leider keinen Forstschritt, denn gerade die Sexualität erfordert körperliche Nähe, um sich entfalten zu können. Bestenfalls wäre es möglich, bestimmte Präferenzen abzufragen – aber auch die ändern sich innerhalb von Beziehungen.
Immerhin kann man seitens der Agenturen eine gewisse Öffnung in Richtung einer modernen, vorurteilsfreien Partnersuche feststellen. Denn Beziehungen wachsen aus Begegnungen, und zu Begegnungen gehört die sexuelle Anziehung. Ich kann nur wiederholen, was ich jüngst schrieb: Dates sind keine Bewerbungen anhand psychosozialer Voraussetzungen – sie sind vielmehr lustvolle Ereignisse, die nur dann richtig bewertet werden können, wenn man sie als Herausforderungen mit offenem Ausgang sieht.