Deutschland – einig Zögerland in Politik und Partnersuche?
Ich wähle die Wir-Form selten. Das „WIR“ – bezeichnet eigentlich das Volk, und wie sollte ich für „das Volk“ sprechen? Doch wenn das Volk durch die Regierung „in die Ereignislosigkeit und Selbstgefälligkeit“ herabgezogen wird, wie dies gegenwärtig nach Einschätzung kritischer Journalisten zu sein scheint, dann wird es Zeit, auch einmal das Volk anzusprechen. Wenn Sie sich noch nicht vollends an das „Prinzip Ereignislosigkeit“ gefügt haben – umso besser für Sie.
Wir werden möglicherweise von einer leeren Seele geführt, deren Furcht vor Veränderung uns alle auf ihr Niveau der inneren Ereignislosigkeit herabzieht. (1) Mit anderen Worten: Wir besitzen zu viel Selbstgefälligkeit, sind geschichtslose Konservative, die keine Werte, sondern nur Bestände kennen, und wir fürchten uns vor jeder Form von Veränderungen.
Unsere verbliebene Freiheit, die Liebe, wird von uns abgewertet
Wie es mit unserem Niveau steht, beweist unsere Partnersuche: Einfallslos und normgerecht, selbstgefällig und seelenlos halten wir an unseren Wünschen und Vorstellungen fest, die im Grunde von vornherein windige Utopien sind. Hinzu kommt: Wir werden überredet, unsere einzige verbliebene Freiheit psychologisch begutachten zu lassen, und sie möglicherweise gar auszusourcen: Die Suche nach Liebe, Lust und Partnerschaft verkommt zu einer Aufgabe, die gefälligst andere für uns erledigen sollen.
Wir verlangen eine Liebe, die nicht existiert
Wir verlangen Betonpfade der Liebe, wo es eigentlich nur den schwankenden und nicht ungefährlichen Boden der Moore gibt. Zugleich beklagen wir uns darüber, dass sinnliche Risiken, auch Romantik genannt, im Schwinden sind. Wir ignorieren, dass Liebe ein sehr unsicheres Gefühl ist, und dass Sex nicht nur „ach so schön und wunderbar“, sondern „auch richtig chic schweinisch“ ist. Wir riskieren problemlos das schnelle und unkomplizierte Abvögeln, gleich, ob ledig oder verheiratet, aber wir verachten die Menschen, die rückhaltlos eine „Femme fatale“ verfallen. Wir wollen alles unter Kontrolle halten: uns, unsere Partner, unsere Fremdvögeleien, einfach alles, und wir sehnen uns dennoch heimlich danach, die Kontrolle einmal restlos zu verlieren. Möglicherweise entdecken wir unterschwellig, wie sehr uns die ständige Kontrolle, das Angepasstsein und die Vernormungen stören. Unser Neusprech, unsere „sozial korrekten“ Verhaltensweisen und was uns sonst noch „auszeichnet“ hat uns zu Zombies gemacht. Wir leihen uns irgendein Selbstbewusstsein, adoptieren irgendwelche Regeln, und tigern damit los.
Selbst denken, selbst sein – was ist denn das?
Das alles bezeichnet, zugegebenermaßen, ein Deutschland, das nicht immer und überall so ist. Es ist das Deutschland humorloser, vielleicht gar geistloser Neo-Eliten, die sozusagen „im eigenen Saft schmoren“. Kaum einer von ihnen hat, ob mit oder ohne DDR-Vergangenheit, gewagt, wirklich „er selbst zu sein“, sondern alle haben nur darauf gesetzt „irgendwo zu stehen“, ob nun kurz vor dem Einser-Abitur oder vor der Position des Abteilungsleiters. Wer dabei dachte, nachdachte, selbst dachte oder gar quer dachte, hatte eigentlich schon verloren – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Als Manfred Hausin einst dichtete: „Er hat Karriere gemacht – und ich mir Gedanken“, war der Satz noch Utopie: Man konnte und durfte sich Gedanken in der Karriere machen und eine auf Gedanken basierende Karriere anstreben. Das ist sicher nach wie vor möglich, ist aber eher verpönt. Man will, man sucht, man verehrt In-Linie-Denker, die alles auf eine Karte setzen. Lediglich einige wenige Unternehmensgründer können mit Fug und Recht als Visionäre, Querdenker oder Genies bezeichnet werden – nicht aber die Masse der Karrieristen mit Zombie-Status.
Das andere Deutschland – dort wo, die Pseudo-Eliten nicht sind
Das andere Deutschland findet noch statt, doch entfernt es sich immer weiter von den Neo-Eliten. Der grundlegende Verstand hat sich längst auf den örtlichen Buchhändler, den Handwerksmeister oder den Gastronomen verlagert. Hier lebt man noch die Träume, aber auch das glorreiche Durchwuseln, hier ist ein „Dreier“ im Zeugnis nicht Teil der Bildungskatastrophe, hier schwängert man noch und lässt sich schwängern, hier trinkt man sich noch Partner schön und lockt sie ins Bett, um sie einfach zu genießen und sonst gar nichts.
Niemand hat die Absicht, sich anzupassen -. doch alle tun es
Vor allem aber denkt man hier noch selbst, handelt selbst, geht Risiken ein und nimmt Niederlagen hin. Mit einem Wort – ob gut oder schlecht –hier ist man eine Person und kein Werkzeug in den Händen der mächtigen „Magier“, die unser Handeln, unser Reden, unsere Partnerwahl und unsere Sexualität in vordefinierte Bahnen lenken wollen. Das Paradoxe daran: Niemands wollte sich anpassen, und niemand musste sich anpassen – aber wir alle haben uns angepasst. Und nun wissen wir nicht einmal mehr, warum wir uns so eingeschränkt haben – geschweige denn, ob es uns gut tut oder nicht.
Die CDU – das Elend, keine Experimente zu wagen
Die politischen Eliten der CDU sagen uns seit Konrad Adenauer „Keine Experimente“ – und genau das ist es, was Frau Merkel heute tut. Für sie und ihre Regierung heißt „nichts verändern“ auch „nichts falsch machen“, und für ihre Kommissionen und Projekte gilt das gleiche: „Alles so lassen, dann machen wir keine groben Fehler“.
Der Fehler dieser Art zu regieren liegt darin, dass auch nichts Neues entsteht. Die Gefahr, die darin liegt, ist nicht alleine der Verlust der Handlungsfähigkeit, sondern sie ersteht darin, dass alles Neue woanders entsteht und man es als Regierung nicht mehr beherrscht.
Die Merkelei in unseren Gehirnen
Privat können wir allerdings etwa tun: Wir können die Strippenzieher im Hirn, die uns an Fäden führen, auf einfache Art loswerden: Wir müssen nur damit beginnen, wieder selber zu denken. Wer auch nur ein wenig nachdenkt, wird bald finden, dass er die „Möglichkeit des Andersseins“ getrost für sich in Anspruch nehmen darf. Das gilt, wie für viele andere Bereiche, auch für die Partnersuche. Das Merkel-Prinzip heißt „Dasselbe, und wenn es nicht reicht, mehr desselben“. Das ist auf Dauer schlecht für Deutschland, und es ist schlecht für die Partnersuche.
Warum wir den morastigen Weg wählen sollten
Voraussetzung wäre freilich, dass es uns noch gelingt, selbst zu denken, anders zu denken und die Weichen neu zu stellen. Die Lösung der meisten Probleme in der Politik, der Wirtschaft und der Partnersuche liegt darin, Pfade zu verlassen, die sich nicht bewährt haben. „Mehr desselben“ rettet uns dann höchstens noch kurzfristig. Die Lösung heißt langfristig eher: „Etwas anderes“. Freilich – wer gelernt hat, einen gut befestigten Steinweg bei der Partnersuche zu gehen, muss erst lernen, den morastigen Boden der unsicheren Liebe erneut zu betreten. Dazu braucht man vor allem Mut – aber kaum mehr.
Bild: Eva Gonzales – Erwachendes Mädchen