Online-Dating zwischen Partnersuche, Spielerei und Betrug
Verbraucherschützer sind nicht zufrieden mit Online-Dating – das ist nicht neu. Aber der recht ausführliche Bericht in einer US-amerikanischen Fachzeitschrift macht deutlich, wo die Mängel sind – und warum sie möglicherweise niemals behoben werden.
Verbrechen und Schwindel
Der Artikel beginnt recht spektakulär mit dem Dunkelgraubereich des Online-Datings: Verbrechen. In den USA spielt die Angst vor Vergewaltigungen und Nötigungen eine größere Rolle als in Deutschland, und also wird zunächst dies Thema behandelt. Allerdings sind Vergewaltigungen, meist als Folge von gutgläubigem Verhalten beim Online-Dating, relativ selten. Viel häufiger, so wollen es jedenfalls Szeneninsider wissen, sind Schwindlerinnen und Schwindler, Kleinbetrügerinnen und Kleinbetrüger, Erpresserinnen und Erpresser sowie weibliche Lockvögel und als Dating-Partner getarnte Huren. Naturgemäß tummeln sie sich dort, wo der sexuelle oder emotionale Drang groß und der Markt unübersichtlich ist – und selbstverständlich dort, wo die Suchenden etwas zu verbergen haben.
Die Spitze des Eisbergs sind die sogenannten Romance-Scammer, die dadurch bekannt wurden, dass sie Beträge von über 10.000 Euro ergaunern konnten und damit Existenzen vernichtet haben. Belächelt werden hingegen meist die Kleinbetrügerinnen, die sich zu großen Abendessen einladen lassen, Taxi- und Bahnfahren bezahlt haben wollen oder sich das angeblich benötigte Hotelzimmer vom Suchenden bezahlen lassen.
Mitgliederzahlen schönen
Die Mitgliederzahlen werden ganz bewusst zu hoch angegeben – wenn von Mitgliedern die Rede ist, erwartet der Kunde, Klient und Verbraucher letztendlich, dass die Zahl der „aktuell suchenden Mitglieder“ angegeben wird. Das ist so gut wie niemals der Fall. In der Regel werden „alle Mitglieder seit Bestehen der Single-Börse“ angegeben, also ein Vielfaches der tatsächlich Suchenden. Zudem werden bei Bezahl-Börsen stets alle Mitglieder dazugezählt, die nicht zahlen.
Drei beliebte Maschen, um den Mitgliederbestand aufzublähen
Drei weitere „Maschen“ mancher Singlebörsen sind ebenfalls bekannt:
1. Frauen können kostenlos beitreten. Dies führt zu einem künstlich aufgeblähten Frauenanteil. Häufig wissen die Frauen gar nicht, in was sie sich einlassen.
2. Mitglieder werden „durchgereicht“. Mitgliedern, die bereits ein Abonnement haben oder noch nicht einmal eines haben, werden von Börse zu Börse des gleichen Unternehmens „weitergereicht“, um die Mitgliederzahlen aufzuschönen. Besonders infam: das Weiterreichen von „hochanständigen“ Webseiten auf Casual-Dating-Seiten. Das Verfahren wurde und wird sehr erfolgreich angewendet, allerdings bislang nicht von Unternehmen, die im Inland ihren Firmensitz haben. (1)
3. Profile kommen in „Pools“ und werden dann Betreibern angeboten, die diese Seiten unter ihrem eigenen Namen betreiben. Dadurch scheint es so, als ob eine „Singlebörse“ unglaublich viele Mitglieder hätte. In Wahrheit greift sie auf einen Bestand des „Pools“ zurück. (2).
Animateurinnen und – „date bait“
Nicht erst seit Online-Dating vor etwa 20 Jahren im Netz installiert wurde, sind Animateurinnen und bewusst eingesetzte „Falschprofile“ ein Problem. Sie wurden von Ehemakler, Heiratsvermittlern und anderen Einrichtungen seit über 100 Jahren verwendet – und diese Pest wird wohl niemals aufhören. Presseberichten zufolge sind zahlreiche Zeitungs-Profile auch heute noch reine Lockvogelangebote – was leider aber selten beweisbar ist. In den 1960er Jahren gab es Gerüchte, dass einzelne Institute Personen beschäftigten, die mit Kundinnen dun Kunde einmal ausgingen, um den Vermittlungsvertrag zu erfüllen.
Heute sind Animateurinnen, die mit mit Falschprofilen (3) arbeiten, in aller Munde. In den USA wird dies auch „date bait“ genannt. Gemeint sind meist die Aktivitäten weiblicher Lockvögel, die das „Online-Kobern“ erlernt haben. Obgleich die Webseiteninhaber ständig bestreiten, dass es diese Technik gibt, ist sie besonders in der Sex-Dating-Branche ein beliebtes Mittel, um zahlende Kunden zu gewinnen oder zu halten. Die Technik wird im Urban Dictionary beschrieben:
Eine Technik, die von verschiedenen Webseiten (… Namen gelöscht) benutzt wird, um Geld von naiven, geilen Leuten abzuzocken. Nachdem der Benutzer Mitglied wurde, bekommt er Nachrichten von anderen „Benutzern“. Will er sie jedoch lesen oder beantworten, muss er zahlen (ein Abonnement oder ähnlich, red.). Wenn der Benutzer zahlt, wird er aber keine wirklich lebende Person treffen.
Bei Abonnements, die bereits abgeschlossen wurden, die aber keinen Erfolg hatten, werden wieder ähnliche Tricks eingesetzt, um die Kündigung zu verhindern. Manche Unternehmen beschäftigen hier abermals Animateurinnen, die dann in regen E-Mail-Verkehr oder in Chat-Kontakten versuchen, das Mitglied möglichst lange „bei der Stange“ zu halten.
Auch dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Wie Sex-Dating-Seiten, aber auch durchaus manche angeblich „seriösen“ Webseiten naive Männer anlocken und über welche Wege die Akquisition gelegentlich nimmt, ist ein weites Feld, in dem jeder der Beteiligten mit dem Finger auf andere weist. Im Trüben fischen wiederum vor allem Unternehmen, die über angeblich „unkontrollierbare“ Werbepartner im Rotlichtbereich des Internets nach Kunden suchen.
Für die Zukunft befürchten Verbraucherschützer das Schlimmste: Grund ist die aus wirtschaftlichen Gründen betriebene Forcierung von GPS-Dating, auch verharmlosend „Dating-Apps“ genannt.
Die bereits erwähnte Verbraucherschützerin schreibt:
Wenn wir all die Berichte betrachten, die uns über Belästigungen und Stalking zugehen, glauben wir, dass es töricht ist, möglichen Interessenten den genauen Wohnort oder den Ort, an dem man sich aufhält, mitzuteilen.
Allerdings sind sich die Experten nicht sicher, ob es tatsächlich zu vermehrten Übergriffen gekommen ist, seit Mobile Dating in Mode ist. Eine der Gründe könnte sein, dass Mobile Dating gar nicht so verbreitet ist, wie immer behauptet wird. Der Mangel an Hetero-Frauen, die Mobile Dating betreiben, macht die Suche offenbar mühsam und ineffizient. Abgesehen davon lässt sich die GPS-Verortung abschalten – dann ist es ganz normales Dating.
Fazit keine Online-Partnersuche auf „Gedeih und Verderb“
Zusammenfassen kann man all dies sagen:
Online Dating hat sich sehr gewandelt. Wo es in den Rotlichtbereich abtaucht oder offen mit ihm kooperiert, herrschen andere Bedingungen als dort, wo man versucht, seriös zu bleiben. Doch auch im „seriösen“ Bereich ist keine „Komfortzone“. Nur, wer die Werbeaussagen der Unternehmen mit Vorsicht genießt und einen konkreten Plan hat, wie er sein Leben mit einer Partnerin oder einem Partner gestalten könnte, gewinnt beim Online-Dating. Für alle anderen ist es ein oft unbekanntes Spiel auf Gedeih und Verderb, das jede beliebige Richtung nehmen kann.
(1) Dieses Verfahren ist umstritten, weil eine eindeutige, nachvollziehbare Willenserklärung fehlt.
(2) Entsprechende Hinweis stehen zumeist in den AGB, werden aber selten gelesen.
(3) Weitere Details bitten wir dem im ersten Absatz genannten Bericht zu entnehmen.
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