Ständig neue Selbstbilder – oder ein Partnerschaftsselbstbild?
Ein Artikel in der TAZ erinnert mich daran, etwas Wichtiges für Partnersuchende zu ergänzen, was ich bisher nicht genau genug behandelt habe: das Selbstbild und die Selbstbilder – und dazu „das Fremdbild“ und „die Fremdbilder“. Psychologen begehen seit Jahrzehnten einen Denkfehler: Sie behaupten, wir hätten ein einziges, nahezu unveränderbares, zutreffendes Fremdbild.
Psychologen verbreiten Unsinn über „das“ Selbstbild
In Seminaren, Selbsterfahrungsgruppen und anderen psychologischen Veranstaltungen wird versucht, das Selbstbild gegen das Fremdbild zu setzen. Je nach Auffassung der psychologischen Schule wird dann empfohlen, das Selbstbild zu verändern, weil es „falsch“ ist, oder aber im Alltag zu überprüfen, ob es immer und überall im Alltag abweicht. Insbesondere Selbsterfahrungsgruppen und andere Gruppen, in denen das Selbstbild untersucht werden soll, sind höchst unzuverlässig, wie der Psychiater Ronald D. Laing einmal sehr nachdrücklich bemerkte.
Selbstbilder, Facetten und Fremdbilder
Die meisten Menschen haben Facetten, die das Selbst- und Fremdbild unzuverlässig erscheinen lassen. Dazu gehören insbesondere geistig sehr bewegliche Menschen und gesellschaftliche „Aufsteiger“. Wer Umstände, Begebenheiten und Menschen in unterschiedlichem Licht sehen kann, hat in der Regel auch „mehrere Bilder“, unter denen er sich selbst sehen kann.
Selbstbilder, Partnersuche und wie man alles falsch machen kann
Was bedeutet dies nun für die Partnersuche und die Beziehung?
In der TAZ konnte ich diesen denkwürdigen Satz über langjährige Beziehungen lesen:
Eine zeitgemäße Antwort auf die Wer-bist-du-Frage könnte ja aber nur lauten: Ich bin viele. Die alte Theorie, wonach sich zwei Menschen spiegeln (ich liebe dich – liebst du mich? – Ich liebe dich auch – liebst du mich auch?– Ich liebe dich usw.), stimmt ja schon lange nicht mehr, weil immer einer der gerade noch Verpartnerten ganz unschuldig (und möglichst vor dem anderen) sagen kann: Seit meiner/m letzten Fortbildung/Entlassung/Therapie/Marathonlauf habe ich mich verändert vulgo emotional neu aufgestellt.
Nun mag dies „zeitgemäß“ sein oder auch nicht, aber es deckt einen Skandal auf: Nachdem uns die Psychologie jahrzehntelang auf „ein zutreffendes Selbstbild“ eingeschworen hat, haben die Menschen offenbar „serielle Selbstbilder“ entwickelt. Das bedeutet: Weil man sein wahres Selbst nicht erforschen will und auch sonst kaum kennt, wird ein Zeit-Selbst aufgebaut, das reichlich unzuverlässig ist. Die Auswirkungen, die dies auf die Partnersuche und auf die Partnerwahl hat, sind kaum auszudenken. Klartext: Ein Selbst, das Facetten hat, muss also zeitig entdeckt werden, und es sollte so facettenreich bleiben, wie es vorgefunden wurde. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, ist jedes serielle „Selbst“ eine neue Lüge, das aber eindeutig darauf beruht, dass die Lüge einem Leitbild folgt. Dies könnte man so formulieren:
Das Schlimmste, was man an Charakterproblemen haben kann, ist eine facettenreiche Persönlichkeit, also verhindere, dass sie jemals jemand wahrnimmt.
Definieren Sie sich selbst – aber behalten Sie ihre Facetten
In der „neuen Zeit“ folgen wir einer Idee, die heißen könnte: definiere dich selbst und bleibe dabei, solange es dir möglich ist. Hinzu kommt, dass wir die dabei entdeckte Persönlichkeit unbedingt als „Marke“ übernehmen wollen. Das Spiel mit den Facetten, das insbesondere in der Liebe gr0ße Bedeutung hat, wird damit verhindert, und die Folge ist eine langweilige, lustlose und mit Erwartungen überfrachtete Partnersuche.
Gehen Sie für die Partnersuche zurück auf null: Wer bin ich?
Die eigentliche Frage müsste: Welche meiner Facetten, welches Selbstbild von mir, ist eigentlich wichtig für eine Beziehung? Was an meiner Männlichkeit, meiner Weiblichkeit, meinen emotionalen, geistigen, ethischen, sozialen und erotischen Fähigkeiten ist so gut, dass es jemandem gefallen könnte, der eine Beziehung zu mir sucht?
Korrigieren Sie Ihr Partnerschafts-Selbstbild
Sie werden feststellen, dass dieses Selbstbild von demjenigen abweicht, dass Sie als „Marke“ spazieren führen – und es weicht auch von dem ab, was „Kumpel“ oder „Busenfreundinnen“ von Ihnen haben. In Beziehungen zählt nicht, was sie sind – sondern welche Fähigkeiten Sie besitzen, um sich mit einem anderen Menschen gemeinsam zu einem Paar zu vervollkommnen.
Wenn Sie dies verinnerlichen, zeigt sich der Unsinn, der jedem Partnerübereinstimmungstest innewohnt. Wichtiger als alle anderen Fähigkeiten sind in einer Beziehung jene, die Gemeinsamkeiten herstellen, wie beispielsweise Kompromissbereitschaft, Wirgefühle, Verständnis, Toleranz, Problemlösungskompetenz, soziale Kompetenz, Humor oder Einfühlsamkeit.
Warum Sie erfolgreich sein können, ohne begehrt zu sein
Wenn man die Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt, fällt auch viel Licht auf einen anderen Faktor, der angeblich so wichtig ist bei der Partnersuche: Attraktivität. „Attraktiv“ sind Sie immer nur für Menschen, die irgendetwas von Ihren Eigenschaften „gebrauchen können“. Das ist der Grund, warum körperliche Schönheit zwar zu bewundernden Blicken, aber nicht unbedingt zu Beziehungen führt: Schönheit braucht niemand wirklich, sie ist entbehrlich.