Fiese Kerle – viel mehr als ein PUA-Enthüllungsbuch
Clarissa Thorn ist eine Ausnahmefrau, praktizierende SM-Anhängerin und Feministin, hat sich in eine Szene hineinbegeben, in der Frauen normalerweise nicht gerne gesehen werden: in die PUA-Szene, also in die Szenerie notorischer Trickverführer. Sie zeigt die Szene ungeschönt, entwickelt aber dennoch Verständnis für die Männer, die eigentlich nicht die „fiesen“ Kerle sind, als die sie gehandelt werden. Man könnte sagen, sie seine alles von „armen Säuen“, die leider nichts im Kopf haben als „Frauen flachzulegen“ und cleveren Geschäftsleuten, die fast gar nichts als etwas „Großartiges“ und „Geheimnisvolles“ vermarkten.
Wer das Buch liest, wird PUAs am Ende entzaubert vorfinden, aber sie weder hassen noch verachten – und vermutlich auch weder lieben noch fürchten.
Die Autorin schreibt gleich zu Anfang von der Beschränktheit der Gesellschaft, wenn es um männliche Sexualität geht. Wir kennen das in Deutschland ja auch: „Männer denken mit dem Schwanz“, sie wollen „viele heiße Weiber vögeln“, sind unersättlich beim Sex und wetteifern um die Qualitäten ihres Gehänges.
Natürlich ist davon nichts „wirklich wahr“. Es ist das, was Männer heraushängen lassen, wenn sie „unter Kerlen“ sind, wenn sie zeigen wollen, dass sie „Eier haben“. Leider ist es auch das, was von manchen Wissenschaftlern immer wieder behauptet wird. Männer sind unermüdliche Samenstreuer, die aus ihrem Steinzeittrieb heraus möglichst viele Frauen flachlegen wollen.
Nun ist es nur so: So falsch wie das Männerbild ist auch das Frauenbild, das in ähnlicher Wiese hie und da in der Wissenschaft, aber auch in Etepetete-Frauenkreisen gepflegt wird. Da ist die Frau die Edle, die Bewahrerin, die Hüterin ihres Unterleibs, an den sie kaum jemanden heranlässt, wenn sie klug ist.
Die Autorin stellt fest: Trotz aller Fortschritte sind unsere gesellschaftlichen Ansichten über Sexualität problematisch – und wie problematisch. Zitiert wird Thomas MacAulay Miller, der schreibt:
Wir leben in einer Kultur, die Sex nicht als Akt, sondern als Sache versteht, in diesem Modell ist Sex wie eine Handelsware; Frauen haben sie und Männer versuchen, sie zu bekommen.
Er folgert, dass Frauen dadurch zugleich Verkäuferinnen von Sex und Beschützerinnen und Bewahrerinnen der Sexualität degradiert würden – eine Rolle, der niemand auf Dauer standhält.
Das Buch zeigt an vielen Beispielen auf, dass es in Wahrheit gar nicht um PUAs und ihre oft etwas verschrobenen Ansichten geht, sondern um Klischees, die Frauen von Männern haben und Männer von Frauen. Wer das Buch sorgsam liest, wird finden, dass sich diese Klischees auflösen lassen – denn so unterschiedlich sind die Ansichten jener Menschen nicht, die Sex als etwas Positives ansehen.
Ja, und was ist nun mit den PUAs? Ganz klar – sie werden überschätzt, aber viele von ihnen wissen das auch. Nur sagen dürfen sie es nicht – es schadet dem Geschäft. Denn die Gurus der Szene wollen vor allem Geld machen – das ist der Grund, alles andere ist Showgeschäft. Dazu gehört auch die ständige Beteuerung, dass der neueste Guru ganz anders sei als alle vor ihm, dass er ein völlig neues Geheimnis entdeckt habe und dass die anderen Gurus nicht den Weg der Erleuchtung gefundene hätten, den er gefunden hat.
In Deutschland, so wollte ein Berliner PUA wissen, sei die Szene ohnehin völlig anders, da würde viel mehr auf das „Inner Game“ geachtet (Inner Game=Selbstmanipulation). Frau Thorn lächelte daraufhin und sagte: „Das sagen sie alle, dass sie ganz anders sind.“