Online-Dating: nicht der Verursacher von „Partner-Abwrackprämien“
Das Internet an sich und das seriöse Online-Dating sind nicht die Ursache für das „Abwracken“ von Partnern. Darin sind sich PARSHIP und der Paartherapeut Arnold Retzer noch einig. Unterschiede gibt es hingegen in der Beurteilung, wie weit das Internet dennoch dazu beiträgt, dass eine an Wahnsinn grenzende Partnersuche betrieben wird, die jeder rationalen Grundlage entbehrt.
Dazu meinte Retzer (zitiert nach der FAZ mit eingeschlossenem redaktionellen Text durch die FAZ).
Aber die gängige Illusion von der perfekten Paarung werde durch das Internet forciert: „Das erhöht den Anspruch an den Richtigen. Und das erhöht die Enttäuschungssensibilität. Kleinste Abweichungen vom Sollwert sind ein Beweis, dass es der Falsche ist.
An anderer stelle mildert Retzer die Vorwürfe gegen „das Internet“ aber wieder ab und sagt (nochmals Retzer und Redaktion FAZ):
Es wird nicht mehr toleriert, dass man sich über längere Zeit frustriert fühlt“, sagt Retzer. Aber das sei weniger eine Folge des Internets als ein Zeitgeistphänomen.
PARSHIP wird in seinem Blog deutlicher und sagt:
Man sollte das Pferd also nicht von hinten aufzäumen: Nicht Online-Portale sind schuld daran, dass sich manche Menschen vermeintlich nicht mehr festlegen möchten. Vielmehr sind Online-Plattformen das logische Resultat einer Gesellschaft, in welcher der Einzelne immer stärker beruflich eingespannt ist, viele nach Höher, Schneller, Weiter, Besser streben und die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit vor Zweisamkeit stellen.
Das ist soweit richtig, aber nicht ganz vollständig, denn gesellschaftliche Prozesse sind weder in der einen noch in der anderen Richtung eindimensional.
Was die Gesellschaftsordnung angeht, so gibt es einige ausgesprochen selbstherrliche Menschen, die sich als „Trendsetter“ sehen, weil sie in Großstädten leben, „zu den richtigen Leuten“ gehören und sich finanziell und sozial im Machtgefüge etabliert haben. Sie glauben, die Trends zu kennen und Vorreiter zu sein, wie es auch die FAZ im ersten Absatz des betreffenden Artikels darstellt:
Vor ein paar Jahren dann entdeckte er den Kontakthof Internet. Singlebörsen, Flirtseiten, Partnervermittlungen; Kandidatinnen wie Sand am Meer. „Vorher war mir gar nicht bewusst, was alles geht“, sagt … (er).
Was nun das Internet-Dating angeht, so werden dort nach wie vor Illusionen aller Art genährt – und die Begriffe der „unendlich großen Auswahl“ wie auch der „Traumpartner“, die man dort finden kann, täuschen einen Trend vor, der so gar nicht existiert.
Man kann die Situation derzeit so beschreiben: Einige wenige, meist großstädtische Menschen mit akademischer Bildung und hohen Einkommen glauben, im Internet über ein unendliches Jagdgebiet zu verfügen, in dem man am Ende man seinen „Traumpartner“ einfängt. Ob dies den Tatsachen entspricht, ist ihnen (und der Presse, die über sie berichtet) weitgehend gleichgültig, so nach dem Motto: „Die Jagd ist interessanter als die Beute.“
Doch dies hindert andere nicht, die weitaus weniger Chancen haben, sich der gleichen Illusion hinzugeben. Sie denken nunmehr: Wenn dies doch ein paar Trendsetter können, dann können wir es auch – eine krasse Fehlannahme. Kommt dann noch die effektheischende Werbung vieler Unternehmen dazu, die auch immer wieder von der großen Auswahl und dem Traumpartner spricht, dann beliebt diese Illusion eben erhalten.