Ahnungslose Autorinnen – schreibt bitte nicht über Online-Dating
Derzeit ist es modern, über Online-Dating herzuziehen, als sei dies der letzte Mist. Man fände nichts als Loser, Gesocks und geile Hähne. Zudem sei Online-Dating verlogen, gefährlich, kapitalistisch und rückwärtsgewandt. Als aktuelle Kronzeugen werden immer wieder fragwürdige Personen weiblichen Geschlechts genannt, die „schlechte Erfahrungen“ gemacht haben, zum Beispiel solche:
Ich wusste vorher nicht, wie lange tatsächlich eine Stunde dauern kann, denn den meisten Männern fehlt der für mich so lebensnotwendige Humor. Und natürlich gilt auch beim Online-Baggern das, was auch im richtigen Leben greift: Männer wollen ein schnelles Abenteuer, Frauen eine Beziehung.
Diese Vorurteile halten sich zwar hartnäckig, sind aber nicht beweisbar. Gerade im Internet suchen heute auch Frauen Abenteuer, die mit „einer Beziehung“ nichts zu tun haben, und viele Männer beklagen sich anderseits, dass Frauen nicht mehr bereit sind, dauerhafte Beziehungen einzugehen.
Die Dame, die da Online-Bashing betreibt, hat den Soziologen Jean-Claude Kaufmann gelesen, der vom Online-Dating so viel versteht wie die Kuh vom Sonntag, sich aber dennoch erfrecht, dies zu schreiben.
Das Netz ist eben nicht nur ein globales Tanzlokal, sondern auch ein Minenfeld für Täuschungen, Betrug und Lügen.
Diesem wenig qualifizierten Zitat folgen im Artikel einer österreichischen Autorin dann sogenannte Studien, die leider recht wenig Relevanz haben – zumal für Europa. Den Vogel schießt die Schreiberin dann noch ab, indem sie ausgerechnet die schrecklich schlechte Komödie „Dating Lancelot“ als „Beweis“ für die Diskrepanz zwischen „analogem“ und digitalem Leben heranzieht.
Nichts wirklich verstehen, sondern mal in alle Töpfe gucken und überall ein bisschen abschreiben – das bezeichnet man hin und wieder sogar als „guten Journalismus“. Wohin das führt, zeigen die ständigen Zitate der israelischen Soziologin Eva Illouz, der ebenfalls der Hauch einer Ahnung vom Online Dating fehlt. Die Linkssoziologin ist bekannt dafür, „den Kapitalismus“ für alles verantwortlich zu machen, was angeblich nicht gut funktioniert auf dieser Erde. Man könnte sich keinen billigeren Trick ausmalen, doch damit wird man offenkundig berühmt. Im Zitat der Profil-AT-Autorin schreibt sich das dann so:
In diesem Supermarkt (Internet-Dating) regieren eben auch die Prinzipien der Konsum- und Wegwerfkultur, die wiederum den rasant-brutalen Gesetzen von Angebot und Nachfrage unterliegen … schon Konsumanalysten fanden heraus, dass ein Überangebot an unterschiedlichen Joghurts die Käufer davon abhalten kann, sich zu einer Variante durchzuringen
Das alles ist unbeweisbar, weil nicht anwendbar. Die Joghurt- oder Marmeladen-Storys treffen einfach nicht zu, weil die „Angebotsstruktur“ beim Online Dating völlig unterschiedlich ist und es eben auch eine „Nachfragestruktur“ gibt. Und mit Verlaub, gnädige Frau – der Heiratsmarkt unterliegt auch dann den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, wenn man diese schnöselig ignoriert.
Worauf nun auch diese Autorin (wie so viel andere vor ihr) hinauswill: Online-Dating tötet die romantische Liebe. Zwar scheint sie zu ahnen, dass eben diese Liebe so gut wie ausschließlich in ihren „Märchenbüchern für Erwachsene“, die sie selbst als „Mädchenliteratur“ einstuft, aber was soll´s? Hauptsache, dem Online-Dating und jeder anderen Art von „geplantem“ Zusammenkommen hat mal wieder jemand vors Maul gehauen.
Freundinnen und Freunde der Ahnungslosigkeit – ihr würdet euch wundern, wie viel Zauber, Romantik und Zufall im Online-Dating zusammenkommen. Dann allerdings muss man auch akzeptieren, dass es hin und wieder eher zu Romanzen als zu Eheschließungen kommt – wie im richtigen Leben. Oder ist es da anders?