Dating-Video in der WELT: Klischees bestätigt – aber nicht ganz
Was sagt noch ein wohlhabender Mann, als er gefragt wurde, wie man am besten zu Reichtum kommt? „Ehrlich währt es am längsten“ – man beachte das „es“.
Nun ist Ehrlichkeit ja so ein lächerliches Mantra für die Dating-Branche. Die Anbieter haben da so ihren „Rahmen der Ehrlichkeit“, der mal mehr oder weniger fest gefügt ist und leider häufig auch mal schief hängt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Damen, die so gerne diese „ach-so-witzigen“ Bücher über das Online-Dating schreiben, verschweigen mit Vorliebe ihre eigenen Schwächen und Probleme und sind deshalb alles andere als ehrlich – da lernen wir also auch nichts.
Lügende Männer – ein Superthema für die Presse, um Frauen zu erreichen
Bleiben wir mal bei den Damen. Sie behaupten ja, dass wir Männer lügen, dass sich die Balken biegen, und dies wird übrigens nicht nur gerne gelesen, sondern in den üblichen geschwätzigen, aber uninformierten Kreisen breit getreten. Unter anderem auch Dank der deutschen Presse. Die ist nämlich froh, wenn sie ein paar schicke Damenthemen hat.
Frech gelogen: Schon schwirren die Bienchen an
Nun kommt die WELT ins Spiel – und ein Video, das dort ziemlich verloren herumsteht. Es zeigt einen Autor, der uns den Hirsch macht, genau genommen den Hansi Hirsch. So nennt er sich im Internet in einem „Selbstversuch“, und natürlich hat er darüber ein Buch geschrieben. Er hat anfänglich den Versuch unternommen, sich ganz brav zu vermarktet – erfolglos. Dann allerdings hat er voll aufgedreht, ein schickes Lügenprofil aufgebaut, das auf witzig gemacht war. Dann sind ihm die Bienchen und Engelchen nur so zugeflogen, 2000 an der Zahl – Sie können im Video selbst sehen, wo dies der Fall war. Der Name wird ja überdeutlich gezeigt.
Warum sind nun so viele Frauen eingeflogen? O-Ton des Mannes im Selbstversuch:
In dem Moment, in dem ich mich nicht mehr angepriesen hab‘, wo mir alles scheißegal war, in dem … indem Moment war ich offenbar so normal, dass die Frauen dachte ‚OK, der ist jetzt irgendwie anders‘.
Klischee wiederholt – Matching durch „wissenschaftliche Forschung“
Natürlich musste der Produzent des Videos in der WELT noch mal nachrecherchieren, und nun kommt ein bekannter Online-Vermittler ins Spiel. Der sagte, was man so sagt, wenn Journalisten fragen:
Wir matchen auf der Basis jahrelanger wissenschaftlicher Forschung.
Das kann man glauben oder auch nicht – die „Wissenschaftlichkeit“ von Matching-Algorithmen wurde erst jüngst ausgesprochen in Zweifel gestellt – das ist noch sehr milde ausgedrückt.
Klischee: Überfluss der Entscheidungsmöglichkeiten
Was können wir nun lernen? Ach ja, „der Überfluss an Entscheidungsmöglichkeiten“ – auch ein oft, aber sinnlos strapaziertes Thema. Es betrifft alle, die nicht genau wissen, was sie wollen und außerdem in einer Großstadt leben – sonst gibt es diese „Fülle der Entscheidungsmöglichkeiten“ nämlich nicht.
Klischee: Enttäuschung folgt auf dem Fuße
So geht es gerade weiter – kein Dating-Zeitungsartikel (oder Video) ohne Psychotherapeutin, das sieht nach Kompetenz aus. So weiß denn die Therapeutin auch, dass „häufig die Enttäuschung auf dem Fuße fällt, wenn man sich persönlich begegnet.“ Das wird dann im Video auch noch dargestellt.
Ja, und am Ende? Da gesteht der Buchautor, dass er niemandem durch das Internet kennenlernte. Fragt sich, ob der Versuch überhaupt ernst gemeint war.