Blues, Klassik und andere Musiklüste bei der Partnersuche?
Eine völlig schräge, aufregende Begegnung. Beim ersten Rendezvous entführt er die neue Bekannte auf ein Binnenschiff, legt eines der traurigsten und ergreifendsten Musikstücke aller Zeiten auf, und fragt: „Magst du Musik?“ Sie sagt „Manche“. Er sagt: „Es ist Billie Holiday“. Sie singt „Strange Fruit“: „Blut an den Blättern und Blut an den Wurzeln …“ Es ist die in bittere Worte gesetzte Geschichte US-amerikanischer Lynchjustiz im Süden. Ja, wir reden über einen Film. Haben Sie ihn gesehen? Er hieß 9 ½ Wochen und könnte gestern gedreht worden sein. Die Szene mit der Musikliebe haben ohnehin die wenigsten Deutschen begriffen.
Musikgeschmack = Honig bei der Partnerwahl?
Gerade lese ich eine Pressemitteilung, in der es um den Musikgeschmack geht.
PARSHIP-Psychologin Barbara Beckenbauer ist überzeugt davon, dass der Musikgeschmack einen nicht zu vernachlässigenden Einblick in das Leben eines Menschen geben kann, behauptet PARSHIP Schweiz in einer Pressmitteilung:
Auch wenn dies meist intuitiv und fast unbemerkt geschieht, sollten Singles vielleicht bewusster auf eine Übereinstimmung beim Musikgeschmack achten. Die Chance, dass einem an dieser Person auch andere Seiten sympathisch sind, ist womöglich recht groß.
Sagte ich Ihnen, dass es schief ging mit den beiden im Film 9 ½ Wochen? Er so eine Art Christian Grey (1), sie eher eine Spätausgabe von Anastasia Steele(1)?
Entspricht der Musikgeschmack einer Lebenseinstellung?
Ist also der Musikgeschmack wirklich ausschlaggebend? Ich kann etwas dazu tun, um dies zu erhellen: Für junge Leute (unter 30) und ganz bestimmte Menschenexemplare bürgerlicher Herkunft und Bildung ist Musik mit Ideologie befrachtet. Dabei ist es vor allem die „Klassische Musik“, die manche Individuen aus dem Bürgerlager für die „bessere“ Musik halten. Junge Leute halten sich hingegen eher daran fest, dass eine bestimme Musik „ihrem Lebensstil“ entspricht, was zumeist ein Irrtum ist. Immerhin: Hatte man eine ähnliche Vergangenheit, so hatte man möglicherweise auch einen ähnlichen Musikgeschmack. Daher rührt dann auch folgender Glaube (Zitat PARSHIP)
Dass der Musikgeschmack eines potenziellen Partners dem eigenen möglichst entsprechen soll, hat seinen Grund: Fast die Hälfte der Befragten (44%) ist überzeugt, dass man vom Musikgeschmack eines Menschen auch auf dessen Charaktereigenschaften schließen kann. Jeder und jede Dritte (36%) meint zudem, dass der Musikgeschmack einen Hinweis auf die Weltanschauung einer Person gibt.
Die meisten Menschen folgen dem Mainstream: Schlagerkitsch mit ein wenig Kultur
In Wahrheit ist es ein wenig anders. Uniformierte Menschen weisen Weltmusik, Volksmusik, Jazz oder Chansons oft zurück, weil sie nichts davon verstehen. Am Beispiel: Pop/Rock (72 Prozent Anhänger laut PARSHIP-Umfrage Schweiz) ist an sich keine eigenständige Musik, sondern das, was sich aus einer großen Palette unterschiedlicher Stilrichtungen gut vermarkten ließ. Die nächsten, favorisierten Musikrichtungen waren bei den befragten Schweizern übrigens Klassik (45%) und Blues (33%).
Was sagt nun die Musikrichtung über den Charakter? Alles und gar nichts, wenn Sie mich fragen. Es ist ein Unterschied, ob Sie mit „Blues“ W.C. Handys Sammlung oder die Interpretationen (beispielsweise) von Billie Holiday meinen. Die sogenannte „klassische Musik“ beinhaltet gar so viele Musikrichtungen und Variationen, dass es Unsinn ist, zu sagen, man interessiere sich „für klassische Musik“. Fragen Sie einen Menschen, ob er regelmäßig in Sinfoniekonzerte geht und warum – dann erfahren Sie, wes Geistes Kind er ist.
Klischees verbinden nicht -Musik ist anders
Was bleibt, sind Klischees über Musik. Wir sollten uns aber nicht an Klischees orientieren, sondern in uns hineinhören, was die Musik auslöst. Übrigens haben fortschrittliche Rundfunksender schon lange bemerkt, dass wir uns nicht alle mit Musikdröhnungen und Klischees anfinden wollen. Der ostdeutsche Sender MDR Figaro führt uns täglich vor, dass Musik eben Musik ist – und sich nicht in Klassik, Jazz und Songs aufteilen lässt. Einstmals, in Budapest, habe ich das Festival-Orchester unter seinem Dirigenten Ivan Fischer mit dem Klezmer-Klarinettisten Giora Feidman Gershwin und Volksmusik spielen hören und sehen. So etwas öffnet die Augen.
Unter Verwendung einer Pressemitteilung von PARSHIP von PARSHIP Schweiz.
(1) Held und Heldin aus „Fifty Shades of Grey“ – Elizabeth (aus 9 1/2 Wochen) entspricht im Alter nicht der Heldin Anastasia, doch John hat zahlreiche Parallelen zu Christian Grey.
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