Jetzt: Fifty Shades of Grey in Deutsch
In der Literatur für Frauen gibt es ein beinahe unerklärliches Phänomen: In Liebesromanen wird Sex größtenteils ausgehebelt. Ausnahmen gab es freilich schon immer: Nur waren es überwiegend keine klassischen Liebesromane, die Sex enthielten, sondern Bücher, in denen Frauen wenn schon nicht sich selbst, so doch ihre eigenen Träume wiederfinden konnten. Diese sind und waren nun aber stets heftiger, als es üblicherweise in der Soft-Pornografischen Literatur üblich ist.
Wer einen Roman liest, weil wenigstens näherungsweise fasziniert sein – und das gelingt am besten, wenn man die Leserinnen und Leser einbindet. Britische Autorinnen hatten immer schon ein Gespür dafür, wie dies gehen könnte: Viele gebildete britische Frauen über 50 kannten sich in den 1980er Jahren, als dies alles begann, noch mit der Internatserziehung aus – ein bisschen lesbische Affären, ein wenig Zickenkrieg, ein bisschen körperliche Züchtigung – und dann all das, was die Damen noch gerne gehabt hätten, was man ihnen aber tunlichst verweigerte: Männer.
Inzwischen hat sich die erotische Frauenliteratur, soweit sie in die Regale kommt, ganz auf schicke Unterwerfungen (in beide Richtungen) eingestellt. Zwar sind die Frauen häufiger diejenigen, die sich mit Vorliebe sinnlich unterwerfen lassen – aber das ist selbstverständlich, denn diese Bücher wurden ja geschrieben, um Frauenfantasien zu bedienen. Über das neue Buch, das sich in Frauenseelen einschleicht, wird noch viel zu reden sein: Es heißt „Fifty Shades of Grey“ uns ist gerade erst in deutscher Sprache erschienen. Wir werden demnächst in vielen linken und feministischen Buchkritiken lesen, dass es „sozial inkorrekt“ gegenüber Frauen ist. Doch das Gegenteil ist der Fall: Es ist sozial inkorrekt gegenüber den Männern, ohne dies sie ihre schicken Lüste nun einmal nicht verwirklichen könnten – nicht einmal in einem Buch.
Wer Männer ansprechen will, muss darüber schreiben, wie diese von starken, unnachgiebigen und dabei erotisch raffinierten Frauen gedemütigt werden. Das begeistert die Herren, und dafür sind sie bereit zu zahlen. Übrigens nicht nur, soweit es Bücher betrifft.