Liebe, Partnersuche, Partnerwahl – und die Zukunft
„Wer wird sich denn um euch scheren? Ihr seid doch nichts weiter als ein Kartenspiel“
(Lewis Caroll, Alice im Wunderland“)
Wenn ich mich heute mit der Zukunft der Liebe, der Partnersuche, der Partnerwahl und letztendlich auch mit dem Online-Dating beschäftige, so hat dies einen besonderen Grund. Im letzten Jahrzehnt haben nämlich weder gestandene Fachleute aus dem medizinischen und psychologischen Bereich Gehör gefunden, wenn es um diese Themen ging, noch unabhängige Journalisten wie ich.
Stattdessen haben Institutionen und Wirtschaftsunternehmen, Märchentanten und Briefkastenonkels die Macht an sich gerissen, über die drei ersten Themen zu urteilen. Online-Dating ist dabei ein viertes, relativ isoliertes Thema, denn Online-Dating ist nicht viel mehr als ein Verkehrsweg, auf dem das Gut „Partnersuche“ transportiert wird.
Warum wir in falschen Wegen denken
Zumeist wird, um im Bild zu bleiben, der Verkehrsweg mit dem zu transportierenden Gut verwechselt. Wenn ich eine Lebenspartnerin suche, dann setzt dies die Einsicht voraus, dass ich eine solche Partnerin eine Bereicherung für mein Leben ist. Ich muss also ein Ziel haben und dieses Ziel erstrebenswert finden. Wenn ich mich hingegen „irgendwie“ beim Online-Dating anmelde, dann habe ich einen Verkehrsweg gewählt, aber noch kein Ziel anvisiert.
Es ist absolut müßig, über die Liebe zu urteilen. Nicht nur, weil der Begriff unendlich mit Etiketten bepflastert ist, sondern auch, weil sich nicht einmal die eigene Liebe wirklich beschreiben lässt – und „die Liebe“ als solche schon gar nicht. Liebe ist sozusagen der „Joker“ im Kartenspiel der Partnersuche: Wer ihn zufälligerweise zieht, hat alle Chancen, in irgendeiner Weise zum Ziel zu kommen – nebst einigen Risiken. Die Partnersuche aus Vernunft hingegen gleicht allerdings eher einem gewöhnlichen Kartenspiel: Da werden die Karten aufgedeckt, und man muss sie bedienen – oder auch nicht.
Wie wir lediglich Karten bedienen statt zu wählen
Dieses „Bedienen der Karten“ ist eine Tradition, die weit zurückreicht, und dien gelegentlich Blütezeiten hatte. Einem Herrn „von Stand“ wurden die Töchter des Bürgertums mit symbolisch angehefteten Preiszetteln angeboten, auf denen stand, wie viel Barvermögen bei Heirat ausgezahlt wurde. Ehemakler, Heiratsvermittler und heutige Partnervermittler arbeiten nach einem ähnlichen System: Karten vorlegen, Vorteile besprechen, Mängel verschweigen, Begegnungen arrangieren. Die Parallele zum Online-Dating bei Online-Partnervermittlungen ist gar nicht zu übersehen: Karten vorlegen, Punktzahlen draufschreiben und dann (das muss man allerdings selbst tun) Treffen arrangieren.
Partnerwahl? Wie wählt man/frau denn da?
Ist die Liebe ein völlig unbeschreibbares, weites Feld, und ist die Partnersuche ein Weg, der zum Ziel führen soll, so ist die Partnerwahl ein komplizierter Prozess, der von vielen Spekulationen begleitet wird. Weil es heute für Frauen und Männer als seltener Ausnahmefall der Geschichte wieder möglich ist, frei und gleich zu wählen, gibt es eine enorme Bandbereite von Annahmen darüber, wie wir Menschen dies während der Steinzeit wohl betrieben haben könnten. Doch sie geben allesamt keine Auskunft darüber, wie wir heute wählen – wir, die wir über mehrere Jahrtausende keine Chance hatten, so etwas zu lernen. Forscher behaupten gerne, sie wüssten warum wir einander wählen – doch die Methoden, mit denen dies angeblich festgestellt wurde, sind völlig unbrauchbar. Sie behaupten, dass Frauen nach gesundem, gebärfreudigem Aussehen oder Männer nach Oberaffenqualitäten gewählt würden.
In Wahrheit lassen wir uns entweder in ein Bett plumpsen, weil uns die Liebe überfallartig erwischt hat, oder wir beobachten das Verhalten des Anderen (und das gemeinsame Verhalten) über eine längere Zeit, um uns ein Bild zu machen. Die zweite Methode ist sehr empfehlenswert, und sie wir glücklicherweise von vielen Paaren angewendet.
Was sagt uns dies für die Zukunft der Partnersuche?
Wir können die Liebe nur wenig beeinflussen – sie überfällt uns, und wir können mehr oder weniger anfällig für die Drogen sein, die sie uns ohne unser Zutun ins Blut schießt. Die Partnersuche hingegen können wir beeinflussen – schon damit, wie wir suchen, wann wir suchen und wo wir suchen. Die meisten modernen, westlich orientierten Menschen treffen mit der Partnersuche eine Vorauswahl – das heißt, sei suchen erst gar nicht dort, wo sie „nichts zu suchen“ haben. Insofern ist auch die Partnerwahl in gewisser Weise vordefiniert. Dennoch bleibt die Partnerwahl der Unsicherheitsfaktor Nummer eins. Der Prozess, den ich zuvor beschrieb, und der normalerweise zum Erfolg führt (Beobachtung des gemeinsamen Verhaltens über eine längere Zeit) kann nicht beliebig oft wiederholt werden. Deshalb ist die gezielte Suche das Gebot der Zukunft. Das klingt gut, nicht wahr? Es hat aber einen Haken – denn die „gezielte Suche“ braucht vor allem eines – nämlich ein Ziel. Ist es dies, was uns die Suche derzeit so schwer macht?
Lesen Sie einfach am Mittwoch weiter – und erfahren Sie, wie sich die Zukunft der Partnersuche entwickeln könnte.
Illustration von Arthur Rackham