Ist die Freiheit der Partnerwahl in Deutschland in Gefahr?
Seit es die Demokratie gibt, wird versucht, sie von innen auszuhöhlen, um seitens gewisser Kräfte mehr Macht und Einfluss zu gewinnen, als dies erwünscht ist. Ähnliche gilt für die freie und gleiche Partnerwahl: Offiziell wird an ihr nicht gezweifelt, um den Schein zu wahren, inoffiziell wird durch interessierte gesellschaftliche Kräfte versucht, sie möglichst wieder einzuschränken.
Zweifel werden gestreut: Sind Partnersuchende entscheidungsunfähig?
Nun stehen die Gegner der freien Partnerwahl nicht vor dem Warenhaus und verteilen Traktate, denn sie wissen, dass sie dort vom Volkszorn verjagt würden. Sie versuchen vielmehr, das System „von oben herab“ in Zweifel zu ziehen. Dazu gehört eine wichtige Voraussetzung, die gegenwärtig in aller Munde ist, soweit die Online-Partnersuche betroffen ist: Der Partnersuchende wird als unfähig deklariert, selbst herauszufinden, wer zu ihm passt. Ihm wird unterstellt, er benötige dazu „wissenschaftliche“ Tests, Hilfen oder Leitlinien.
Trickreiche Argumente als Mittel gegen frühe Ehescheidungen
Auf den ersten Blick ist die Idee nicht völlig absurd. Argumentiert wird aus dem Hintergrund, man müsse etwas gegen die hohen Scheidungsraten unternehmen, deshalb müsse man forschend und lenkend eingreifen, soweit dies demokratisch vertretbar sei. Hinter den Kulissen wird diese Meinung überall durch Tuscheln verbreitet. Sie klingt plausibel, weil sie als sehr sozial und zugleich pragmatisch erscheint: „Helfen wir euch doch bei der korrekten Partnersuche, ihr werdet es uns danken“.
Der Versuch der Gängelung: Später werdet ihr es uns danken
Mir klingen die Sprüche in den Ohren, weil ich sie von überall höre: Irgendwie fühle ich mich an die Notwendigkeit des Brauunterrichts (Brautexamens) erinnert – sie wird von der katholischen Kirche vertreten. Die Argumentation der neo-konservativen, antiliberalen Haltung äußerst sich stets in der gleichen Argumentation:
Jetzt kann das junge Paar noch nicht wissen, worauf es eines Tages ankommt, deshalb müssen wir es ihm jetzt sagen.
Auch diese Aussage klingt unglaublich plausibel. Ist denn ein junges Paar in der Lage, die ganze Tragweise seiner Entscheidung wirklich vorauszusehen? Natürlich nicht. Niemand kann das. Was verschwiegen wird: Ein Fremder vermag es ebenso wenig vorauszusagen, und die gesamte bekannte psychologische Forschung ist nicht in der Lage, darüber ein Urteil abzugeben.
Die absurde Doppelbindung an Vorhersage und Eigenverantwortung
Der Versuch ist so absurd und tölpelhaft, dass man schon wieder lachen könnte. „Wir sagen dir, was aus dir wird, aber du bist selbstverantwortlich dafür“ ist die Botschaft, die dieser Idiotie entspricht. Etwas höflicher ausgedrückt: Doppelbindung an die Eigenverantwortung und an die aufgesetzte Vorhersage.
Daneben stehen dann die mathematischen Modelle, die aus psychologischen Tests generiert werden. Wer passt zu uns? Weniger als 0,4 Promille der Partnersuchenden passenden Alters, wie eine gängige Theorie der Partneragenturen behauptet? Wenn es so wäre, würde die Partnerwahl „in freier Wildbahn“ gar nicht funktionieren, sondern nur noch im Internet. Pragmatiker meinen, dass es in „freier Wildbahn“ wohl gegen 20 Prozent der Suchenden passenden Alters wären, bei denen sich ein Kennenlernen lohnen könnte – sie gehen allerdings davon aus, dass eine soziale Vorauswahl stattgefunden hat. So viele Menschen sind dies in Wahrheit gar nicht: Wenn man 50 Kollegen am Arbeitsplatz leidlich kennt, kann es sein, dass fünf einen Partner suchen, der Rest ist irgendwie vergeben – bleibt also einer übrig.
Diesem relativ hohen Prozentsatz mit einem ernüchternd geringen Resultat stehen beliebig viele kleinere Werte entgegen: außer den schon genannten 0,4 Promille (vier von 10.000) stehen beliebig viele und bunt variierende Zahlenspiele zur Verfügung, die herunter bis zu 0,005 Promille gehen.
Eine logische und verblüffende Aussage kommt von einem Fachmann der Paartherapie:
Voraussetzung der Vorstellung, man können den richtigen Partner finden, ist die Überzeugung, es gibt ihn, den richtigen Partner.
Der Autor, Arnold Retzer, bezweifelt in seinem Buch „Lob der Vernunftehe“, dass es so einen Partner tatsächlich gibt – und gäbe s ihn, so hätte er strake Zweifel, ob man ihn auch wirklich annehmen würde.
Die Freiheit der Partnerwahl – sie ist eine der bedeutendsten Errungenschaften das 20. Jahrhunderts. Eine derartige Freiheit bestand möglicherweise niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit (jedenfalls nicht für beide Geschlechter) und ist deshalb ein Höhepunkt der menschlichen Kultur. Es besteht kein Anlass, sie aufzugeben – nicht der geringste. Wer es dennoch aktiv mit dem ihm gebotenen Machtansprüchen versucht, sollte sein Selbstverständnis für Demokratie, Freiheit und menschliche Kultur überprüfen. Wer die Gängelung hingegen hinnimmt, verwirkt ohne Not einen Teil seiner Menschenrechte.