Liebe und Dating im SPIEGEL – widersprüchlich, aber lesenswert
Ich gebe zu, mir dieses Heft nicht gekauft zu haben, wenn ich nicht mit der Nase drauf gestoßen worden wäre. DER SPIEGEL – WISSEN fragt nach der Liebe, danach, was Paare zusammenhält und unter anderem auch nach der „Liebe in den Zeiten des Internets„.
Das Beste zuerst: Es steht viel drin, und davon ist auch einiges sinnvoll – das Heft reicht für eine Bahnfahrt von drei bis fünf Stunden, und es wird nicht langweilig. Journalistisch stimmt das Konzept: viele Hingucker in Form von Infografiken, viele Meinungen zum Thema – und ziemlich viel über Online-Dating.
Denn die Probleme: Was soll eine Redaktion tun, wenn sie die Wahrheit sucht? Der SPIEGEL hielt sich an den intellektuellen Zeitgeist – und befragte Eva Illouz und Wilhelm Schmid, beide Beststellerautoren. Das liest sich ganz nett, aber das ist auch alles. Beide geben lediglich ihre Meinungen wieder – und können dabei leicht als Plauderer entlarvt werden.
Noch mehr Probleme gibt´s beim „Ganz normalen Traumpaar“ – ein paar mehr oder weniger wissenschaftliche Gemeinplätze, die alle zutreffen könnten oder auch nicht – Zeitgeist eben. Den Artikel „Spiel und du wirst finden“ kann man auch im Internet nachlesen – und er ist von der gleichen Machart. Viele Meinungen, uneinheitliches Bild – sozusagen ein bisschen war zum Aussuchen für jeden. Nach der Astrologie folgt dann die unsägliche Helen Fisher – war es Zufall oder Absicht?
Oh, da war noch etwas über Online-Dating – teilweise recht informativ, teils stark in die breite gezogen: zwei Partnerbörsen, an die man nahe herangegangen ist: ElitePartner und das Dating Cafe. Schön geschrieben, mit vielen persönlichen Stellungnahmen untermalt. Wer diese Erfahrungsberichte genau liest, wird ein wenig entzaubert – darüber wären noch viele Worte zu verlieren, die ich hier nicht fallen lassen will. Jedenfalls gilt: Erfolgreiche Dates waren offenbar eher Glückssache und hatten nichts mit dem Psycho-Turbo zu tun, en Partneragenturen so gerne in der Werbung bemühen.
Internet-Dating: Keine fertig gebratenen Tauben
Partnersuchende können immerhin aus dem SPIEGEL WISSEN lernen, dass ihnen auch im Online-Dating keine gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Wer noch weiter liest, etwa zum Artikel von Gerd Böckem, wird mit einer Wahrheit konfrontiert, die den Partneragenturen in Deutschland kaum gefallen dürfte und zitiert den Paartherapeuten Michael Mary, der Tacheles redet:
Wenn die Portale behaupten, diese Zuordnung (Matching, red.) würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Beziehung funktioniert, dann ist das eine Marketinglüge.
Main Fazit nach der Lektüre: Partnersuche liegt in der Verantwortung des Suchenden – und sie ist unteilbar. Das wird weder Wissenschaftler noch Wahrsager daran hindern, etwas anderes zu behaupten, aber es ist nun einmal die einzige Wahrheit, die überhaupt zulässig ist. Oder haben Sie schon einmal gehört, dass ein Wissenschaftler für Ihr Leben einsteht?
Quelle: DER SPIEGEL WISSEN, Nr. 2 /2012