Liebestrends – oder Forscherfantasien?
Als ich den Artikel über unseres eigenartiges zukünftiges Paarungsverhalten in der WELT las, hatte ich noch die Vermutung, dass da ein vorwitziger Jungredakteur am Werk war, der mal ein bisschen in die Pampe hauen wollte, dass es spritzt und jeder bekleckert wird. Doch jetzt weiß ich – dank FOCUS mehr. In dem ähnlich lautenden Artikel (nach dpa) wird die Quelle erwähnt: Es ist Andreas Steinle vom Zukunftsinstitut Kelkheim. Er will nach Aussagen seiner Webseite mit „Herzblut“ daran arbeiten, wie wir unsere „Zukunftsfitness“ verbessern können.
Nun, wer solche Worte gebraucht, der wird wissen, warum er das tut: für uns – allerdings nur für uns als Konsumenten, nicht als soziale Wesen aka Menschen.
Die Nachricht von den Liebestrends verbreitet sich schnell
Wir werden dem Forscher leider noch vielfach begegnen, den die Original-Nachricht wurde nach Insider-Informationen über dpa verbreitet. So wanderte sie in unter anderem die „Salzburger Nachrichten“ und in die „Hannoversche Allgemeine“.
Die Kernaussagen über die Zukunft sind dürftig und brüchig
Die Kernaussagen sind immer die gleichen: Demnach werden wir alle Sex, Lust oder vielleicht sogar Liebe mit vielen Partnern zugleich in Frieden, Freude und Eintracht haben. Dazu kämen noch Lückenbüßer als Sexpartner („Friends with Benefits“), arrangierter Sex nach vorausgegangenen Verhandlungen (das Wort Prostitution wir offenbar bewusst vermieden), sexlose Partnerschaften und – natürlich – Casual Dating.
Überhaupt ist „das Internet“ mal wieder dafür verantwortlich, dass sich solche Trends entwickeln – was zu erwarten war, da der Forschungshintergrund so gut wie nur im Internet gefunden werden kann.
Die Forscher unterliegen übrigens einem Grundirrtum, der sich in folgendem Satz ausdrückt (Zitat):
Die traditionelle Beziehung bleibt zwar das vorherrschende Modell – aber längst nicht mehr in dieser Dominanz … ein wichtiger Faktor bei solchen Arrangements ist, dass sie auf Freiwilligkeit und Transparenz basieren.
Es gibt kein „Modell“ außer dem Modell „Ehe und Familie“
Fragt sich, was daran neu oder sensationell ist, aber kommen wir zum Irrtum: Für sogenannte „Arrangements“ gibt es weder Modelle noch sozialverträgliche Hintergründe. Mit anderen Worten: Die Geliebten, auch wenn sie langjährige Geliebte sind, sind immer die angeschmierten: Die Ehe ist die alleinige Form, in der soziale Sicherheiten verbindlich festgeschrieben sind. Schon etliche „Geliebte“ mussten nach einigen Jahren feststellen, dass sie wie Dreck behandelt wurden – von der Familie und zumeist sogar von der Presse. Sollte der „Sponsor“ sterben, steht die Witwe am Grab, und sie weint und erbt – die Geliebte darf hinter dem Baum heulen und leer ausgehen. Jeder, der sich auf bloße „Arrangements“ einlässt, verwirkt damit letztendlich seine Zukunft. das darf jeder gerne tun, nur sollte er (sie) dann bitte nicht am Ende der Allgemeinheit zu Last fallen. Das Modell Ehe und Familie ist in Deutschland im Grundgesetz festgelegt. Alle anderen Modell existieren nur in der Fantasie – und temporäre Lebensformen sind keine „Modelle“.
Unwahrscheinliche Prognosen – dürftige Fakten
Kommen wir noch einmal zurück zur Wahrscheinlichkeit solcher „Forschungen“: „Polyamorie“ ist ein Modewort – früher hieß so etwas „offene Ehe“ – und daraus ist auch nichts geworden. Also: Rohrkrepierer. „Friends with Benefits“ sind Lückenbüßer, die zum „schnellen Feuchtigkeitsaustausch aka „es tun“ gerufen werden, wenn die echten Sexpartner gerade verlustig gegangen sind – das war nie ein Trend, sondern ist möglicherweise ein urbane Legende. Ja und sonst? Casual Dating ist wirklich neu – entweder, weil Seitensprünge gerade übermäßig populär sind oder aber, weil Frauen anonyme Sexpartner immer noch Callboys vorziehen – und arrangierter Sex? Wir wissen bei der Liebepur hier nicht genau, wo die Forscher das aufgegabelt haben – jedenfalls sagte nicht einmal das „Urban Dictionary“ Genaues darüber aus, das seine Ohren sonst immer an den Graswurzeln hat.
Mit langfristigen Dating-Prognosen haben sich schon andere die Nase wundgestoßen: Die Liebepur berichtete.
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