Persönlichkeitstests erneut im wissenschaftlichen Zwielicht
Dieser Artikel befasst sich mit Partnerübereinstimmungstests in Deutschland und in den USA, berücksichtigt neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und zeigt am Schluss in einem logischen Beispiel, warum weniger Übereinstimmung mehr Übereinstimmung sein kann.
„Wissenschaftliche“ Partnerübereinstimmungstests, die auf harten Fakten beruhen, existieren streng genommen nicht – das ist zwar seit Langem bekannt, wird aber oft ignoriert. Tatsächlich basieren die meisten Tests, die in Deutschland verwendet werden, auf mehrfach modifizierten Persönlichkeitstests aus der Welt der Bewerberauswahl.
Sind Partnertests zu simpel für die Partnersuche?
Die Sache ist ebenso simpel wie plausibel: Wird ein Versicherungsagent gesucht, so muss er extravertiert sein. Hier ist also die Jobbeschreibung, die eindeutig ist, dort das Profil des Bewerbers, das noch einmal vom Personalchef im Gespräch überprüft wird. Ganz anders ist bei der Partnerwahl: Zwei Profile, die im Grunde keine eindeutigen Beschreibungen enthalten (und schon gar keine „unbedingten“ Anforderungen) werden verglichen, wobei die „Passung“ (Matching) auf mehr oder weniger vagen Annahmen beruhen.
Wie ich bereits mehrfach schrieb, ist das Konzept zwar brüchig, aber nicht sinnlos, weil es ein brauchbares „Sieb“ bildet, das völlig ungeeignete Kandidaten auffangen kann.
Abenteuerliche Konzepte im Deckmantel der Plausibilität
Die US-Agentur eHarmony beruht auf einem noch wesentlich abenteuerlichen Konzept: Hier will man anhand von „zufriedenen Paaren“ festgestellt haben, welche Eigenschaften für eine dauerhafte Ehe wichtig sind. Das Konzept, das auf dem Grundsatz der Gleichheit von Eigenschaften fußt, klingt auf den ersten Blick sinnreich, berücksichtigt aber nicht, wie die angebliche „Gleichheit“ zustande kam. Die neuste Kritik stammt von Benjamin Karney und Kollegen und kann hier nachgelesen werden (Studie von Eli J. Finkel et al). Kurz gefasst lautet der „Knackpunkt“ der Paarstudien so:
«Wen ich jemanden mag, finde ich einen Weg, ihm „Gleich“ zu sein.»
Allerdings geht es nicht nur um Gleichheit, sondern um eine Fülle unbewiesener Behauptungen, besonders die, über „wissenschaftliche Verfahren zu verfügen, die nachweislich glücklichere, gesündere und längere Partnerschaften prognostizieren können.“ Da stellt sich natürlich die Frage: „Wer führte jemals den Nachweis darüber?“ – und dann folgt das Schweigen im Walde.
Extreme Werbung verhindert eine sachgerechte Diskussion
Genau genommen geht es bei der gesamten Diskussion um Extreme: Es gibt sicher interessante Verfahren, zwei „passende“ Menschen zusammenzuführen, die sich dann vielleicht sogar lieben lernen. Die Behauptungen gehen aber stets dahin, über „gesicherte wissenschaftliche Verfahren“ zu verfügen – und das gibt vielen naiven Menschen die trügerische Sicherheit, ihre Partner seien tatsächlich „wissenschaftlich vorgeprüft“.
Unähnlich ist möglicherweise ähnlicher als Ähnlich
Wir alle müssen zwangsläufig damit leben, dass Partneragenturen keine andere Wahl haben, als Persönlichkeitstests anzubieten – das ist ihre Geschäftsgrundlage. Die Frage ist, wie stark wir uns selbst einschätzen, auch an dieser Beurteilung vorbei die notwendigen Kontakte knüpfen zu können, wobei sich ein ausgesprochen interessanter Aspekt ergibt:
– Menschen, die bei einer Partneragentur Mitglieder sind und auf hohe Matchingpunkte vertrauen, sind sich sicherlich „irgendwie ähnlich“.
– Auf der anderen Seite sind sich aber auch die Menschen ähnlich, die den Matchingpunkten misstrauen und lieber „etwas tiefer ansetzen“, oder sich ausschließlich anhand der Profile entscheiden.
Diese Art von Ähnlichkeit sagt möglicherweise mehr über die Persönlichkeit aus als der Test selbst. So kommt die paradoxe Möglichkeit zustande, dass sich „psychologisch“ unähnliche Menschen möglicherweise im Verhalten ähnlicher sind als dies zuvor festgestellt werden konnte.
Zitate: LA Weekly
Studie: psychologicalscience.org
Via: Online Personal Watch