Die „moralischeren“ Frauen und der Professor
Täglich eine neue Studie, und täglich etwas zum Diskutieren in den Kantinen und bei den Kaffeekränzchen und Stammtischen – das ist es, was den Populismus der Wissenschaftler antreibt. Besonders gefragt sind seit einiger Zeit wieder Studien, die auf die Unterschiede zwischen Frauen und Männern hinweisen. Damit hat nun ein Professor Roger Steare von sich reden gemacht.
Die Studie anhand von angeblichen 60.000 Befragten in 200 Ländern hat nun etwas ergeben, was Frauen zunächst freuen dürfte: Sie sind „moralischer“ als Männer – nach Eigenangaben.
Die übliche Leier: Frauen sind altruistisch, Männer egoistisch
Frauen zögen vor, ihre Entscheidungen auf der Grundlage der Auswirkungen auf ihre Mitmenschen zu treffen, behauptete der Professor gegenüber der britischen Zeitung „Daily Mail“, und dies führe zu tendenziell „besseren“ Entscheidungen. Sinnigerweise meinte Professor Steare auch noch, Männer seien „mehr auf ihren Vorteil bedacht“.
Offenbar ist der Professor in seinen Aussagen das Opfer allgemeiner Vorurteile geworden – oder er profitiert davon, dass auf dieser Erde weniger Frauen als Männer in verantwortlicher Berufstätigkeit stehen.
Denn die Berufstätigkeit schient den eigentlichen Ausschlag zu geben, ob jemand (nach den Maßstäben des Professors) „moralischer“ oder „unmoralischer“ handelt, was maßgeblich darauf zurückzuführen sein könnte, dass Berufstätige tagtäglich manche Entscheidung fällen müssen, die nicht in vollem Einklang mit ihren ethischen Grundsätzen steht. Ob dies nun gleich für eine labilere Moral spricht, ist eine Frage der Weltanschauung.
Wie dem auch sei: Die angeblich „bessere“ Moral der Frauen will der Professor vor allem bei den Frauen zwischen 35 und 65 festgestellt haben.
Die „besser Moral“ könnte Frauen schaden
Wie immer spricht Manches für, Anderes gegen die These des Professors, die sicherlich Anlass zu allerlei Betrachtungen geben könnte, die nicht immer günstig für Frauen ausfallen. Wenn Frauen tatsächlich zwischen 35 und 65 so altruistisch wären, wie behauptet, würden sie für bestimmte Führungspositionen aus der Sicht der Wirtschaft ungeeignet sein.
Angleichung in der Sexualmoral – Frauen sind nicht „besser“
Wie steht es um die Sexualmoral der Frauen und Männer? Unternimmt man Zeitsprünge zwischen 1950 und 2010 im Abstand von 20 Jahren, so ist deutlich zu erkennen, dass sich die angeblich „bessere“ Sexualmoral der Frauen nach und nach nivelliert hat. 1970 gab es die ersten Berichte über Begegnung mit Frauen, die von sich aus sexuelle Kontakte abforderten, gegen 1990 war es ein offenes Geheimnis, dass viele Frauen Dates mit Männern eingingen, um sexuelle Befriedigung zu erlangen, ohne auf eine dauerhafte Beziehung zu hoffen, und seit 2010 herrscht Gleichheit auf allen Ebenen und in allen Situationen – nur die vor 1970 geborenen Frauen bilden dabei gelegentlich noch eine Ausnahme. So kann man von über 40-jährigen Frauen sowohl das moralisierende Statement „ich würde nie mit einem Mann beim ersten Date ins Bett gehen“ wie auch das Gegenteil: „Ich kann jetzt endlich leben wie sich will und mit jedem schlafen, mit dem ich will.“
Bessere Moral oder andere Moral?
Die gegenwärtige Diskussion ist zumeist eine der üblichen Scheindiskussionen, bei denen es um das Prestige der höherwertigen Moral geht, nicht um die moralischen Werte selbst, die übrigen in der Wertigkeit nirgendwo festliegen. Insofern ist „besser“ eigentlich nur als „anders“ zu interpretieren.