Außen „cool“, innen bedürftig – warum Partnersuchende versagen
Die Frage, die ich mir (und Ihnen) zuletzt gestellt hatte, lautete:
Warum widersetzen sie sich Partnersuchende der Beschleunigung, die ihnen das Internet bietet? Warum wollen sie sich „entschleunigen“ und kann dies denn überhaupt noch gelingen?
Ich versuche heute, Antworten darauf zu finden und nehme als Beispiel ein gesellschaftliches Muster, das so selbstverständlich nicht existiert – wenn es Ihnen dennoch bekannt vorkommt: Sie wohnt garantiert irgendwo in Ihrer Nachbarschaft.
Der unbrauchbare Lebensentwurf – cool, romantisch, geil
Mich wundert nicht, dass die Boutiquenbesitzerin C., die seit fünf Jahren nach einem passenden Ehemann sucht und ihn mit 38 noch nicht gefunden hat, befremdet aufschaut, wenn sie diese Zeilen liest. Sie sucht nach der alten Methode, die schon ihrer Mutter und Großmutter Erfolg brachte: schick sein, ein wenig Konversation machen, sich modern geben, „in“ sein. Leider folgt sie einem äußert fragwürdigen, möglicherweise sogar sehr gefährlichen Lebensentwurf: Nach außen die „coole Frau“ spielen, nach innen aber nach Romantik lechzen, die bisweilen mit Geilheit chargiert. Ich prophezeie: Das geht emotional unter Garantie schief.
Entschleunigung als Illusion – und die neue Illusion „glücklicher Single“
Solche eine Frau versucht, sich selber zu „entschleunigen“ in einer Gesellschaftsordnung, in der Beschleunigung die Regel ist. Sie versucht sich irgendwo festzuhalten, irgendwie stehen zu bleiben. Indem sie dies tut, zerrinnt ihr die Zeit unter den Fingern. Man kann es auch ganz altmodisch ausdrücken: „Da steht sie nun, und hat keinen Mann, und ärgerst sich zu Tode“. Nur, dass sie dies nicht zugibt und ihren Freundinnen und Freunden erzählt, eine glückliche Singlefrau zu sein.
Die Insel der Entschleunigung – nur für Kenner
Wer sich in einer entschleunigten Welt bewegen will, wird oft nach Inseln suchen, auf denen dies möglich ist. Doch das kann nur dann gelingen, wenn man auch über das emotionale Handwerkszeug verfügt, um sich auf solchen Inseln einzurichten. Innerhalb einer Welt, in der es keine Normalität gibt, kann man nur dann seine private Normalität schaffen, wenn man mit jemandem zusammenlebt oder wenn man wirklich „in sich ruht“, was angesichts einer ansonsten hektischen Welt nur wenigen Menschen gegeben sein dürfte. Einfacher ausgedrückt: Nur eine Gruppe von Menschen (beispielsweise ein Paar) kann sich verbindliche Realitäten schaffen, die außerhalb jeglicher Zeitströmungen liegen. Für die meisten von uns bedeutet dies: Im beschleunigten Raum den Partner für die gemeinsame Entschleunigung suchen,
Wer sich gerne „Entschleunigen“ will, kann das also jederzeit tun, nur muss erst dann zunächst anerkennen, dass er einer beschleunigten Welt lebt und nicht ausschließlich in seinem örtlichen und emotionalen Kiez. Wenn ich die Bewegung für mich stoppen will, muss ich erkenne, dass sich die Welt um mich herum bewegt – und vielleicht muss ich sogar noch die Regeln kennenlernen, nach denen sie sich bewegt.
Die neuen Welten entstehen nur gemeinsam
Wenn ich neue Normen setzen will, muss ich anerkennen, dass die alten Normen wachsweich geworden sind – und wenn ich dann meine kleine, lebenswerte Welt aufbauen will, die mir entspricht, dann schaffe ich dies normalerweise auf Dauer nur mit einem Partner an meiner Seite, der in ähnlicher Weise eine Entschleunigung anstrebt.
Die Wahrheit ist also bitter: Wer sich eine eigene Welt schaffen will, muss in die Welt hinausgehen, um sich einen Partner zu suchen, der dies auch will. Mag sein, dass sie es in einer deutschen Kleinstadt auch ohne Internet schaffen, weil Sie genügsam sind. Wer aber sehr individuelle Vorstellungen vom Dasein hat, die über das in Kleinstädten übliche Denken hinausgehen, der soll bitte in die weite Welt hinausgehen, bevor er sich mit seinem Partner irgendwo einnistet.