Spiel mit ihr – ein gutes Buch, doch nicht für zarte Nerven
Irgendwie soll es etwas mit Online Dating zu tun haben, dieses Buch, und in der Tat lernen sich die Protagonisten im Internet kennen. Geschrieben hat es Franziska Gerstenberg, und es heißt „Spiel mit ihr“. Die Situationen der Partner sind fast typisch: Sie, 40, mit einem Grundschulkind, sexuell ausgelaugt und verführbar, trifft ihn, 50, geschieden.
Beide führen freilich keine normale Beziehung, sondern eine sehr sinnliche, auf Rollenspiele ausgerichtete, äußerst frivole und für beide überaus erregende Lustfreundschaft. Die Konflikte, die sich daraus ergeben, werden noch verschärft durch eine Parallelhandlung. Was aus den beiden wird? Das lesen Sie besser im Buch nach.
Die Erotik ist nicht das Thema des Buches
Die Autorin verlegt die „scharfen“ erotischen Stellen an den Anfang des Buches, und genau dies mag dazu führen, dass man es falsch bewertet: Es geht nicht um das Rollenspiel. Es geht um Entwicklungen, um Leidenschaften, und auch um Gefährdungen.
Franziska Gerstenberg, die vor allem durch Kurzgeschichten bekannt wurde, schildert hautnah-präzis, wie es Menschen beim Verlieben ergehen kann, bleibt dabei aber stets distanziert: Auf diese Weise erscheinen dem Leser die Figuren werde sympathisch noch unsympathisch – sie tun, was sie tun müssen und wollen – right or wrong – my life.
Die Männerseele wird zutreffend geschildert
Mich erstaunt, wie tief die Autorin in die Männerseele einzudringen vermag – wohl, weil sie niemals zu tief schürft, nie dorthin gelangt, wo Menschen wirklich erbarmungslos verletzlich sind. Doch wie sie einen geschiedenen Mann schildert, der aus dem emotionalen Scheidungsgewinn schöpft und endlich wirklich zu sich selbst findet – darin wird sich mancher Mann wieder finden. Es mag auch ein Trost für viele Männer sein: Einmal geschieden zu werden ist gar nicht so übel, wenn man etwas daraus macht.
Harter Tobak in der Parallelgeschichte
Wenn das Buch dennoch „harter Tobak“ ist, dann deshalb, weil es eigentlich zwei Geschichten enthält, und auch die zweite, gefährliche Geschichte wird in überraschender Klarheit und Einfachheit erzählt, obgleich sie dazu verführen könnte, deutlich emotionaler zu schreiben. Gerade die fehlende moralische Bewertung dürfte allerdings viele Menschen vor den Kopf stoßen – und sie werden das Buch vielleicht empört zur Seite legen. Nein, dies ist kein Buch für schwache Nerven, und erst recht keine „leichte und lockere“ Unterhaltung zum „Ablachen“.
Das Buch liest sich wie eine Anreihung von Kurzgeschichten, aber gerade dies macht diesen Roman sympathisch: der Handlungsstrang wird oft unterbrochen, das Wesentliche wird kurz und knapp beschrieben, und statt emotionaler Wogen setzt die Autorin nachvollziehbare Beschreibungen der Beweggründe und Handlungen ein.