Sex@mour – ein selten erbärmliches Buch
Sex@mour von Jean Claude Kaufmann ist ein erbärmlich schlechtes Buch. Es ist schlecht, weil es dem Autor, einem älteren Sozilogen, an Sensibilität fehlt. Es es ist schlecht, weil es auf einem verklärten Ideal aufbaut, und es ist schlecht, weil es uns keinen Schritt voranbringt.
Alles an diesem Buch wirkt, als wäre es nur behauptet, nicht erlebt, nur angelesen, aber nicht empfunden. Wie ein Junge mit einem Mädchen zu flirten beginnt, wie ihre ersten Leibeserfahrungen auf einem Aushandeln von Berührungen beruhen – das mag alles stimmen. Aber es sind Weisheiten, die nicht hier und heute ermittelt wurden und nicht unter Erwachsenen.
Das Buch Sex@mour verkennt, dass es gar nicht „den Weg zur Liebe gibt“ – auch nicht „online“, sondern dass jeder von uns einen eigenen Weg zur Liebe sucht. Dieser Weg kann online, offline, hybrid, über Sehnsucht, Lust, Leidenschaft oder Sex gehen … für den Hungernden nach Liebe und Partnerschaft ist dies wirklich ganz gleichgültig. Der sehr sorgfältige, analytische und distanzierte Partnersuchende, den es schon immer gab, wird das Buch gleich als Hirngespinst abqualifizieren.
Man kann nicht schreiben, indem man liest – jedenfalls nicht über das Online-Dating. Der Autor Jean-Claude Kaufmann hat viel gelesen, und besonders viel an den Stellen, an denen man besser nicht liest: in Foren beispielsweise. Ernsthafte Partnersuchende verkleckern ihre Meinungen und Ansichten nicht im Internet, weil dies nicht ihr Ziel ist. Wer einmal eine nicht funktionstüchtige Festplatte im Internet gekauft hat, mag dort seinen Zorn auslassen, aber wer einen Partner sucht, verantwortet dies stets selbst. Ihm steht es auch gar nicht an, seine Suche abzuwerten, weil er sich damit selbst abwertet. Leider ist diese Erkenntnis nicht sehr populär – aber Kaufmann hätte sie kennen müssen.
Dies Buch „Sex@mour“ ist ein erbärmliches Buch – und ich werde den Verdacht nicht los, dass es deshalb gelesen wird, weil durch alle Ritzen die Nostalgie einer sehr verschwommenen Vorstellung von romantischer Liebe dringt, die besonders älteren Herrschaften sehr vertraut sein dürfte. Es ist erstaunlich, dass keiner der bisherigen Rezensenten auch nur einen Hauch von Ahnung hatte, was das Online-Dating wirklich bedeutet: für uns, jenen armen Menschen, über deren Köpfe und Seelen hinweg Bücher und Kritiken geschrieben werden.