Die Liebe – warum das Wort nicht viel taugt
Über nichts ist in der Literatur (und nicht nur in der Weltliteratur) so viel geschrieben worden wie „über die Liebe“ – wobei das gleichnamige Buch Anfangs nicht einmal viel Erfolg hatte.
Doch von der braven älteren Ehefrau, der die Liebe irgendwie mal abhandenkam bis zum weiblichen Teenager, der sehnsüchtig auf sie wartet, wissen alle, was Liebe ist. Oder vielleicht doch nicht?
Die Liebe wird zum Unwort
Ich werde manchmal angefeindet, weil ich „Liebe“ schreibe, wenn andere „Sex“ sagen. Wer Deutsch kann, wir bald wissen, dass mein Recht mehr zählt, das Wort „Liebe“ für „Sex“ zu gebrauchen. Die Gegner des Wortes „Liebe“ für die „Liebeslust“ wollen eine Art Naturschutz für die „gute“ Liebe und das Wort abgrenzen gegenüber dem „bösen“ Sex. Doch das jahrhundertelang gebrauchte Wort für „den Sex“ ist eben „die Liebe“.
Auch zuvor war die „Liebe“ niemals für das Verhältnis zwischen Mann und Frau definiert: Liebe war die innige Freundschaft zwischen Männern im Sinne von Weg- und Kampfgefährten. Sie war sogar in der Anrede für einen Herrscher enthalten, den jemand neigungshalber oder pflichtschuldigst zu lieben hatte: „Euer Liebden“. Frauen hielt man für nicht einmal fähig, „wirklich“ zu lieben.
Die reine Liebe soll die Minne sein – ein Geschichts-Blödsinn
Was hat man und nicht alles versucht, einzureden – dass es unterschiedliche Formen der Liebe gäbe, dass wir Nächstenliebe und Freundesliebe pflegen sollten und dass die höchste Form der Liebe die Verehrung der Geliebten sei. Ganze Generationen von Schulmeistern, die von der deutschen Romantik verseucht waren, wollten den Schülern die „Minne“ der alten Troubadoure als „höchstes Gut“ verkaufen. Ja, so warn´s, die alten Rittersleut‘: hilfreich, edel und gut und liebesschwer in der Brust, aber nicht in den Hoden. Kaum jemand wollte wissen, dass diese Art von „Geschichte“ nicht als Verdummungsgeschichte war, reserviert für humanistische Gymnasien. Bekannt ist der Bedeutungswechsel zwischen Liebe und Minne. Im Grunde galt die Liebe als das höhere Gut der Bande zwischen Menschen, die Minne aber als niedrig, weil sie zunächst gleichfalls, später dann aber sogar ausschließlich für den Geschlechtsverkehr gebraucht wurde. Romantisierend wurde dann aus der „Minne“ die „Hohe Minne“ gemacht und damit wieder auf den Edelstatus zurückversetzt. Mit der historischen Wahrheit hatte das sehr wenig zu tun
Was die Liebe alles sein soll
Die Liebe blieb zurück, und sie sollte nun alles sein:
Liebe zum Mitmenschen.
Die Liebe zu Weib und Mann.
Liebe zu Gott, Göttern und Heiligen.
Liebe der Kinder und Eltern.
Liebe zur Kunst (daraus ist das Wort „Amateur“ entstanden).
Liebe zu Hund, Katze und anderem Getier.
Liebe als „wahre“ Liebe (Lieblingswort der Gutmenschen).
Liebe als sexuelle Betätigung.
Liebe als Leidenschaft.
Liebe als Tauschmittel.
Liebe als nicht-sexuelle Verehrung („platonische Liebe“)
Ein deutsches Reinheitsgebot für das Wort „Liebe“?
Es ist einfach dumm, das Wort Liebe zum Beispiel dann nicht zuzulassen, wenn vom Tauschmittel die Rede ist. Der eine verschenkt seine Nächstenliebe, der ander macht sie bedingt zu Geld, weil er leben muss, der Nächste verdient sich damit die Weltvormachtstellung der organisierten Nächstenliebe.
Ebenso verschenken manche Damen ihr Liebe freizügig, weil sie Freude daran haben, während andere sie nur dann herschenken, wenn eine Perlenkette, eine Stellung, ein Appartement oder eine Hochzeit dabei herauskommt. Wieder andere verkaufen ihre Liebe gegen bar oder Sachwerte, und die meisten denken niemals daran, irgendetwas gegen etwas anderes zu tauschen sondern wollen, das Liebe mit Liebe vergolten wird. Das „Reinheitsgebot“ für die Liebe ist neoromantischer Kitsch, weiter gar nichts.
Die Liebe? Es gibt sie nicht, DIE Liebe. Es gibt nur deine oder meine Liebe zu etwas oder zu jemandem.