Die Wunschträume von Dating und Big Brother – werden sie wahr?
Liest man einen neuen Artikel von Dan Slater auf „FastCompany“, so kann man den Eindruck bekommen, die Dating-Welt stünde vor dem größten Paradigmawechsel aller Zeiten.
Nein – nicht die Dating-Welt. Es ist die Welt des Big Brothers, der allgegenwärtigen Autorität, des Wächters über alle Handlungen. Die Zukunft mit ihr wird in den rosigsten Farben geschildert, und es ist nicht verwunderlich, wie das „positive Absolute“ mit Füllhörnern ausgeschüttet wird. Privatheit als Wert wird einfach aussortiert von oder im Neusprech des Mark Zuckerberg zu schreiben: „Privatheit entwickelt sich weiter“.
Schöne neue Welt: Der gläserne Partnersuchende
Da werden uns die Vorteile versüßt, damit wir, die dummen Internetbenutzer, sie fressen wie Schokoladenkekse: Wir werden endlich erfahren, wer unsere Dating-Partner wirklich sind, wir werden wissen, ob sie verheiratet sind oder ob sie uns Fotos geschickt haben, die 20 Jahre alt sind. Irreführung, Betrug und was dererlei mehr ist, gehört der Vergangenheit an. Wir werden wissen, wer Heide ist, wer Jude, wer Katholik und wer Protestant. Wir werden die sexuellen Präferenzen aller Menschen erfahren und ihre geheimen Gedanken anhand ihres Musikgeschmacks und ihrer Film-Vorlieben feststellen.
Wer schützt unsere Privatheit?
Wer sich nicht selber outet, der wird geoutet werden. Wir werden wissen, (dank findiger Gratis-Freier) welche Hausfrauen sich heimlich in Online-Foren als Sexpartner anbieten, wer an wen seien Jungfräulichkeit verlor und warum die Nachbarin eine Lederpeitsche besitzt, obgleich sie doch Kirchgängerin ist.
Überwachung durch eigene Dummheit
Brave new World! Sicher, da ist noch ein kleiner Unterschied zur Stasi der Ex-DDR: Noch kann man nur die überwachen, die ihre Daten freiwillig komplett ins Internet stellen und ständige Updates darauf setzen. Doch schon heute kann man kaum noch gegen diejenigen vorgehen, die Daten anderer ins Netz stellen – und wer wirklich dabei erwischt wird, der sucht sich einen Provider im Ausland, wo Europäer ihre Rechte nur noch schwer durchsetzen können, die Privatheit zu schützen.
Deutsche sollten aus ihrer Geschichte wissen, wo die Gefahren lauern. Je eher wir uns der allgemeinen Entprivatisierung widersetzen und unsere privaten Daten wieder schützen, umso besser.
Benutzer haben keinen Nutzen – auch nicht beim Dating
Bei dieser Gelegenheit: Das Entprivatisieren mag zwar gelegentlich einem Partnersuchenden nützen – aber das ist sehr selten. Zumeist wird es ihm schaden, denn mit den entprivatisierten Daten kann per Data-Mining auch mehr festgestellt werde. Heute, in einer Zeit, in der nach Zehntausenden zählende Frauen sich beim Causal Dating anbieten, kann jeder ermessen, welche Gefährdungspotenzial darin liegt – doch das wird von den Entprivatisierern verschwiegen.
Die Privatheit wird zerstört – damit andere leichtes Geld verdienen
Sicher – auch die Motive der Jungs, die ihre Privatheit zerstören wollen, sind noch nicht böswillig: Im Moment geht es ihnen darum, möglichst viele Produkte möglichst nahe an Sie heranzubringen – das ist das Ziel der Entprivatisierung, wie es sich im Moment darstellt. Die angeblich „edelen“ Motive können Sie vergessen – es geht um den leicht verdienten Dollar, für den man so gut wie nichts mehr tun muss, weil er sich automatisch generiert – das ist das Ziel.
Die Realität: die Opfer wehren sich bereits
Was nicht in die Lobhudel-Gazetten steht: Immer mehr Menschen wenden sich an Webmaster, und sogar an Re-Privatisierungsfirmen, um ihre Namen, bisherigen Tätigkeiten oder Vorlieben, über die in der Presse berichtet wurde, löschen zu lassen. Ex-Wäschemodelle, ehemals nackt gezeigte Filmschauspielerinnen, aber auch Frauen aus Journalismus, Web-Gestaltung und PR, die früher einmal für Erotik-Unternehmen tätig waren, versuchen vehement, ihre Namen, die in diesem Zusammenhang auftauchen, tilgen zu lassen.
So sehen wir auch hier eine geteilte Welt: Während uns die Gurus der schönen neuen Welt ihre Sklaven der Offenheit rekrutieren, versuchen andere, ihre Karrieren vom Sünden der frühen Jahre zu befreien.