Weihnachten und Paare – religiöse Eintracht oder Traditionskonflikte?
Österreicher gelten als „nette Zyniker“ und also schreibt Michael Prüller in der Presse:
Typischerweise setzt der Culture Clash in einer Ehe beim ersten gemeinsamen Weihnachten ein. Allein die Frage des Baumschmucks ist ein Indikator für die Scheidungswahrscheinlichkeit, und bei der Backware können schon feinste Abweichungen zum mütterlichen Herd Zweifel auslösen … ob man bei der Partnerwahl wirklich einen so guten Griff getan hat.
Womit wir bei der Frage des Brauchtums wären – und als ich einmal (es ist länger her) danach gefragt wurde, welche „Weihnachtsbräuche ich denn zelebrieren“ würde, habe ich herzlich gelacht. Dann allerdings fiel mir ein, dass es Weihnachten bei den Eltern eine Pute gab und dies auch bei mir lange Zeit so blieb.
Eine Pute macht kein Weihnachten – aber was dann?
Aber eine Pute macht eben kein Weihnachten, so wie eine Schwalbe keinen Sommer macht, und deshalb war mein Weihnachten auch Tannenbaum, Lichterglanz und – Weihnachtsgeschenke. Mit den Jahren lernte ich Menschen kennen, die nicht von Weihnachten, sondern vom „Christfest“ sprachen, und die Krippen aufstellten. Sie unterschieden fein zwischen dem „Christkind“ und dem „Christuskind“ und schwelgten darin, welche „Bedeutung“ doch das Christfest für die Menschheit hätte. Nun gut hätte ich die Weihnachtslieder damals wirklich verstanden und nicht nur für Volksbrauchtum gehalten, so hätte ich es wissen können: „Christ, der Retter ist da“.
Der Hintergrund des religiösen Weihnachtsfestes
Weihnachten religiös – das muss man nicht erklären? Oder vielleicht doch? Man feiert also die Geburt eines bedeutenden Religionsstifters, und dies schwelgerisch du mit großem Aufwand. Als Grundlage dient zumeist das Evangelium des Lukas, verbunden mit Elementen des Evangeliums des Matthäus – doch Lukas war mit einiger Sicherheit der geschliffenste Schreiber, und seine Unterweisung beginnt so: „schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat“. Diese Weihnachtsgeschichte ist zudem sehr anschaulich geschrieben, sodass man sich ein Bild von der Geburt des Religionsstifters machen konnte. Gehen wir einmal davon aus, dass dies die Absicht des Evangelisten war, und stellen wir fest, dass dieses Ziel nachhaltig erreicht wurde. Welcher Schriftsteller kann schon behaupten, so viel gelesen und verlesen worden zu sein wie dieser Lukas?
Das Schenken ist inzwischen das Wichtigste am Weihnachtsfest geworden – und es rührt weitgehend daher, dass bei der Geburt des neuen Erdenbürgers fremdartige Besucher aus dem Osten auftauchten, die wertvolle Geschenke verteilten, wie Matthäus erzählt. Sie stehen am manchen Krippen mit ihren Kamelen und sind bekannt als die „Heiligen Drei Könige“.
Ja, und dann waren da noch die „Heiden“. Sie trugen zum Lichterglanz bei – die Römer, weil sie Sol verehrten und die Germanen, weil sie das Julfest feierten. Beide Feste sind typische Lichterfeste, die besonders in Skandinavien heute noch als solche begannen werden.
Weihnachten und Paare – wo liegen die Konflikte?
Kommen wir mal zurück zu den „kulturellen Konflikten“, die zu Weihnachten bei Paaren ähnlicher Herkunft entstehen können. Sind beide Christen, so könnte man sich jenseits der Metaphysik ja darauf einigen, die Geburt des gemeinsamen Religionsstifters zu feiern – für manche Katholiken bereits ein bitterer Kompromiss. Aber wenn es nicht einmal darüber einen Kompromiss geben kann, worüber denn dann? Muss man sich dann wirklich noch den Kampf zwischen Weihnachtsmann und Christkind leisten?
Heiden und Christen können sich ebenfalls einigen – was den einen die Hoffnung auf die wiederkehrenden langen Sonnentage ist, sind den anderen die Hoffnung des neuen Lichts, dass der Religionsstifter in die Welt brachte – der Weihnachtsbaum drückt es für beide aus – und die Schenker waren (und blieben) sowieso Heiden, die irgendwo „im Morgenland“ weder verschwanden.
Hoffen wir einmal, dass sich die Konflikte nicht um Gänse, Karpfen oder Schweinehinterschinken entzünden oder um den Besuch der Schwiegereltern am ersten Weihnachtstag – obgleich ich befürchte, dass es darum möglicherweise mehr Zoff gibt als um die Religion.
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