Partnerwahl: Pioniere einer neuen Zeit statt Evolutionssklaven
Es klingt kompliziert, was die Wissenschaftler Johan Bolhuis, Gillian Brown, Robert Richardson und Kevin Laland von den Universitäten Utrecht, Cincinnati und St. Andrews herausgefunden haben – und „herausgefunden“ ist diesmal sicherlich das beste Wort. Sie fanden nämlich tatsächlich etwas, das Wissenschaftler selten suchen: den Zweifel. Das Objekt ihrer Betrachtung war die Evolutionspsychologie, und sie fanden heraus, wie fragwürdig die bisherigen Ansätze dieser Forschungsrichtung waren.
Erinnern wir uns? Im Darwinjahr versuchten alle möglichen Evolutionsforscher zu belegen, dass sich unser menschliches Paarungsverhalten und mithin die Partnerwahl, innerhalb der Evolution kaum verändert habe. Schlagzeilen wollten uns vorgaukeln, dass wir uns „seit den Neandertalern“ oder „seit den Steinzeitmenschen“ darin kaum verändert hätten. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem die angeblichen „Wissenschaftsredaktionen“ unserer „Intelligenzblätter“ diese Behauptungen auch nur im Ansatz kritisch überprüft hätten – und die Mehrheit der Online-Presse wäre dazu schon im Grundsatz nicht in der Lage.
Lesen wir schnell einmal hinein, wie ernüchternd Logik sein kann (Zitat):
Bisher gehen Evolutionspsychologen meist so vor, dass sie Hypothesen darüber aufstellen, welches Verhalten in einer urzeitlichen Umwelt sinnvoll gewesen sein dürfte, und bestätigen dies dann durch psychologische Tests an heutigen Menschen. Dieser Ansatz erscheint zunächst ganz sinnvoll, doch bei näherem Hinsehen genügt er nicht.
Im zitierten Artikel wird dann auf sehr komplizierte Art erklärt, welche Wissenschaftler wann, wie und wo zu andren Schlüsseln kamen. Hier wollen wir uns nur mit der Logik beschäftigen.
1. Die Menschheitsgeschichte zeigt uns viele Entwicklungsschübe, die aus der Evolution nicht erklärbar sind. Mindestens die neuen Entwicklungen dieser Art lassen sich aus der Kumulation von Fähigkeiten und Wissen mit Hilfe von Kommunikation erklären – das ist kein evolutionäres Konzept.
2. Hätten wir unser Paarungsverhalten nach den hypothetischen Mustern entwickelt, wären wie eine Gruppe von körperlich höchst entwickelten Wesen mit enormer Furchtbarkeit und großer Körperkraft geworden. Die geistige und kulturelle Entwicklung hätte nicht stattgefunden, weil die Intellektuellen und Kulturschaffenden keine Möglichkeit der Fortpflanzung gefunden hätten.
3. Nicht zuletzt: Die Hypothese, welches Verhalten in der „urzeitlichen“ Umwelt sinnvoll war, sagt nichts darüber aus, welches Verhalten sinnvoll war, nachdem man Werkzeugherstellung- und Werkzeuggebrauch erlernt hatte.
Den Wissenschaftlern – Befürwortern wie Kritikern – geht s darum einen brauchbaren Weg der Forschung zu finden, der auf Dauer sinnvoll ist – doch den Menschen, die dies alles betrifft, sollte es um die Lehren daraus gehen, und sie sind:
1. Misstrauen Sie der Evolutionspsychologie. Nehmen Sie bitte nicht an, dass der stärkste und mächtigste Mann die schickste und sinnlichste Frau bekommt (geschweige denn, dass er sie verdient).
2. Überlegen Sie bei der Partnerwahl, wie Ihre Beziehung in sechs Monaten und sechs Jahren aussehen könnte und orientieren Sie sich daran, ob Sie dies wollen. Es ist nicht wichtig, wie ihre Urahnen gewählt hätten.
3. Unsere Zeit erfordert neue Konzeptionen der Partnersuche, die vor allem durch die Entwicklungen der letzten 50 Jahre geprägt wurden. Noch bis gegen 1970 wirkten die Traditionen bürgerlichen Partnersuche aufgrund der Vorstellungen des 19.Jarhunderst nach – und bis heute haben wir keine wirklich praktikablen neuen Wege zu erfolgreichen und dauerhaften Partnerschaften gefunden.
Wir können die tatsächliche Gegenwart nicht mit Hypothesen über die Vergangenheit meistern, ja, wir können aus der Geschichte der Partnerwahl nicht einmal mehr lernen. Wir sind wahrhaftig Pioniere einer neuen Zeit, und wir bestimmen den Weg, den die Menschheit gehen wird, hier und heute. Das klingt ein wenig pathetisch, ich weiß. Aber es ist bei Weitem nützlicher, über diesen Umstand nachzudenken, als Forschungsergebnissen über die Partnerwahl zu trauen.