Eva Illouz fasziniert Intellektuelle – aber blitzt bei Pragmatikern ab
Die Israelitin Eva Illouz ist sehr beredt, wenn es um die Verhältnisse zwischen Frau und Mann geht. Basierend auf Feminismus und Marxismus versucht Sie, die Welt zu interpretieren und greift dabei oft auch auf das Thema „Dating im Internet“ zurück. Obgleich die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ sie „als eine von 12 Intellektuellen gewählt hat, die höchstwahrscheinlich das Denken der Zukunft verändern werden, ist sie doch ein Kind der Zeit: Rhetorisch äußerst begabt, fasziniert sie humanistische gebildete Intellektuelle (also ZEIT-Leser), aber kaum Pragmatiker. Nicht ungeschickt versucht sie, „die Frauen“ und „die Männer“ gegeneinander auszuspielen und dabei scheinheilig dazustehen, als hätte sie ein neues Prinzip für die Liebe unter den Menschen erfunden. Dies wurde unter anderem deutlich in einem Interview, das dieser Tage in der WELT erschien.
Frau Illouz argumentieret wie folgt (Zitat, auszugsweise):
Um in unserer Gesellschaft als erfolgreich zu gelten, brauchen (die Männer die Ehe) … nicht so sehr wie Frauen. Dazu kommt: Es herrscht eine Norm, die es Männern ermöglicht, Frauen zu heiraten, die sehr viel jünger sind als sie selber (und) … und alle mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status.
Wenn nun Frauen dazu neigten, einen Mann mit gleichem oder möglichst höherem sozialen Status zu wählen, und das Ausbildungsniveau der Frauen anderseits steige, dann ergäbe sich daraus eine Konsequenz, die uns hier bei der Liebepur verblüffte (erneutes Zitat):
Die Kombination dieser beiden Faktoren führt dazu, dass Männer unter sehr viel mehr Frauen wählen können, als Frauen Männer zur Verfügung haben. Das wiederum verschafft Männern einen Vorteil auf dem Markt der Begegnungen. Somit sind sie es, die die Bedingungen diktieren.
Lesen Sie bitte weiter, was daraus folgt – Sie werden überrascht sein.Die Argumentation ist sicher nicht ungeschickt aufgebaut, und sie wird einem weiblichen Massenpublikum aus der Seele sprechen, nur ist sie leider falsch.
Nur wenige Männer haben „die freie Auswahl“ unter den Frauen
Denn der angebliche „Vorteil“, von dem Frau Illouz spricht, gilt nur für sehr wenige Männer. Wie Sie auch im Interview sagte, sind dies bestenfalls Männer ab 45, die ein breites Spektrum von Frauen zwischen 25 und 40 zur Verfügung haben – allerdings nur unter zwei Voraussetzungen:
1. Die Männer über 45 müssen entweder einen ansehnlichen Besitz oder große Macht erworben haben, um Frauen zwischen 25 und 35 anzuziehen.
2. Die Frauen zwischen 25 und 35 müssen das Ziel haben, einen Mann zu heiraten, der ihnen entweder ein sorgenfreies Leben ermöglicht oder in dessen Glanz sie sich sonnen können.
Unter diesen Voraussetzungen wird man fragen dürfen: Ja, wovon ist denn hier die Rede? Kann sich eine international bedeutende Wissenschaftlerin tatsächlich auf dieses dünne Eis begeben?
Gleichgültig, was Frau Illouz bewegte, das Eis wird noch dünner. In Wahrheit versuchen die äußerst gebildeten Frauen über 35, den Heiratsmarkt zu beherrschen – aber sie scheitern daran, weil die Marktgesetze gegen sie sprechen und nicht, weil Männer die freie Auswahl haben. Rechnen wir doch einmal nach: Wenn Frauen immer gebildeter und finanziell unabhängiger werden, dann können sie nicht mehr damit rechnen, auf ein adäquates Marktangebot von männlichen, erfolgreichen Akademikern zu stoßen, die sich nicht in gleicher Weise „vermehrt“ haben. Die Regel „heirate mindestens auf Augenhöhe“ wird damit zur überkommenen Farce. Zugleich nehmen sie sich durch Ihre Anspruchshaltung und das damit verbundene Scheitern selber vom Heiratsmarkt aus – sie entziehen sich also auch der Ehe und allen damit verbundene Freuden und Entsagungen.
Mich wundern die Thesen von Frau Illouz indessen nicht: Die Ideologien von Marxisten und Feministen zusammengenommen müssen an der Heiratsmarktpraxis von Angebot und Nachfrage scheitern – und dies ist keinesfalls eine kapitalistische Erfindung.
Die einzig richtige These wäre die, ander Kriterien für Ehen zu finden als den Dünkel der Frauen, sie müssten auf Augenhöhe oder darüber heiraten, denn dies ist in Wahrheit eine bürgerliche Wunschvorstellung: Ein bedeutender Händler, ein Fabrikant, ein Bankier oder ein Adliger sollte es sein fürs Töchterchen – und das ließ man sich dann auch etwas kosten.
Wird es nicht Zeit, endlich mit diesem Blödsinn aufzuhören? Und muss man sich tatsächlich in Verdrehung der Tatsachen anhören, die Frauen, die ihr Sexleben in vollen Zügen genössen, seien im marxistischen Sinne von einem „notwendig falschen Bewusstsein“ getrieben?
Marxismus und Feminismus haben schon manchen verblendet – und es ist schade, dass dies auch bei Frau Illouz immer wieder durchdringt. Insofern ist das Gespräch mit der WELT – trotz vieler richtiger Ansätze – von Ideologie überfrachtet und von altbackenen Vorstellungen überdeckt, was Frauen fühlen sollen und dürfen.
Ich stelle aus der Praxis dagegen und wage mehrere Prognosen:
1. Es wird eine neue Kaste von gebildeten, finanziell gesicherten, aber emotional abgewrackten Frauen entstehen, die niemals heiraten konnten, weil ihre Ansprüche stets zu hoch waren. Das werden sie allerdings nicht wahrhaben wollen und eine Ideologie darauf aufbauen, nicht schuld daran zu sein.
2. Die Frauen, die sich heute (in deutschsprachigen Ländern) aus Arroganz dem Heiratsmarkt verweigern, werden durch Frauen aus der EU ersetzt, die ihre Emanzipation besser im Griff haben.
3. Jung Frauen werden den Unsinn der Arroganz erkennen und sich rechtzeitig anders verhalten – die wäre die positive Prognose.
4. Eher positiv ist auch die Tatsache, dass sich jenseits des dümmlichen Geplänkels um die „Augenhöhe“ bereits Beziehungen entwickelt haben, die so aussehen: Sie hat zwei Diplome, fasst aber keinen Fuß im Berufsleben – er hat kein Diplom, aber einen Job. Oder: Er ist Musiker und lebt von Auftrag zu Auftrag – sie ist Studienrätin und trägt mit ihrem festen Job zu finanziell stabilen Verhältnissen bei. Das sind keine unvernünftigen Konstellationen.
5. Eine eher negative Prognose, die sich durchaus parallel entwickeln kann, ist die heimliche Befriedigung der weiblichen Lüste durch jüngere Lustknaben, Callboys oder der Mitgliedschaft bei Casual-Dating-Agenturen.
Wir werden sehen, wohin der Weg führt – aber wir werden keinen Fortschritt in die Diskussion bringen, wenn sich die Einstellung der Frauen zur „Augenhöhe“ nicht ändert.