Neue Unsitte: Dating-Profile ein- und verkaufen
Die Betreiber nagelneuer Datingseiten haben ein Problem: Sie haben noch keine Mitglieder, aber ohne Mitglieder können sie keine Beziehungen vermitteln. Dieses Kernproblem habe alle, vor allem aber Unternehmen, die ohne Sponsor-Millionen starten. Die Frage, wie man die ersten 10.000 Kunden gewinnt, ohne die eine sinnvolle Online-Partnersuche bundesweit Illusion ist, bewegt daher alle.
In den USA gibt es bereits sechs Unternehmen, die neuen Betreiber „Profile verkaufen“. Das Problem: Keines dieser Unternehmen gibt auch nur im entferntesten Aufschluss darüber, woher diese Profile stammen.
Mark Brooks, der Inhaber von Courtland Brooks, empfiehlt seinen Kunden nach genauer Analyse nicht, Profile zu kaufen, aber er weiß auch:
„Freie Mitgliedschaften und aggressive Markstrategien mögen zu Anfang teuer sein, aber sie sind am besten geeignet, um eine starke, ehrliche Marke mit guten Ergebnissen aufzubauen … (Wie in einem Supermarkt …) müssen Sie in der Lage sein, die Regale mit Menschen zu füllen, und zwar mit echten Menschen, bevor Sie in der Lage sein werden, irgendetwas zu verkaufen und damit Geld zu verdienen.“
Die Lage auf dem deutschen Singlebörsen-Markt ist ohnehin schlecht, weil inzwischen eine Marktsättigung eingetreten ist. Neue Betreiber müssen entweder völlig neue Märkte finden (die es offenbar nicht gibt) oder versuchen, bestehenden Unternehmen Markanteile abzujagen. Wie viel Geld dafür erforderlich ist, kann man am Beispiel der einzig wirklich erfolgreichen Neugründung, eDarling, sehen.
Gegenwärtig wird noch versucht, mit Hybrid-Dating, Casual Dating und Sex Dating Geld zu machen – aber die Frage wäre auch hier: Woher bekommt man die ersten 10.000 Mitglieder? Im Moment ist das einzige Potenzial, aus dem alle zu schöpfen hoffen, die „Frau in Wartestellung“, die sich zwischen 25 und 35 noch nicht für feste Beziehungen entscheiden will, wenn man von den „Seitensprung-Liebhaberinnen und –Liebhabern“ einmal absieht. Mittlerweile scheint es so, als würden erotisch interessieret Frauen und Männer eher aus den „allgemeinen“ Singlebörsen aussteigen und zum Casual Dating wechseln, als dass sich tatsächlich neue Potenziale in großem Ausmaß schöpfen lassen.
Ein unerfreulich schlechtes Licht fällt gegenwärtig auf Betreiber, die behaupten, täglich mehrere Tausend neue Mitglieder zu rekrutieren. Ein einfaches Rechenexempel zeigt, wie abwegig solche Behauptungen sind: „10.000 neue Mitglieder sollen sich laut Angabe des Anbieters jeden Tag (Name der Online-Partnervermittlung) neu anmelden.“
Dabei reicht ein Hauptschulabschluss aus, um nachzurechnen: Diese Agentur hätte in einem Jahr rund 3,7 Millionen Mitglieder, was in drei Jahren etwas alle suchenden Singles in der gesamten Bundesrepublik entspräche. Bei nur rund 380.000 eheschließenden Paaren im Jahr (davon höchstens 20 Prozent Online-Bekanntschaften) kann man leicht feststellen, welche Fantasiezahlen hier verwendet wurden.