Fallende Umsätze, steigende Kosten und gewagte Prognosen
Zahlenspiele mit Singles gehören mittlerweile zum Standardrepertoire der Dating-Branche. Viele mischen dabei mit, wobei nicht ganz auszuschließen ist, dass es der eine vom anderen abschreibt – das ist natürlich viel bequemer als zu forschen. Die Liebepur mischt heute mal mit bei den Spekulationen (aber nicht beim Abschreiben) – und kommt zu einem eher ernüchternden Ergebnis. Wie die Zahlenspiele der Anderen, sind auch unsere Ergebnisse spekulativ. Allerdings basieren sie mindestens teilweise auf etwas konkreteren Annahmen.
Kaum Wachstum, schlechte Gewinnaussichten
Die Zeiten, in denen Onlinepartnervermittlungen ein „zweistelliges Wachstum“ vorweisen können, sind längst vorbei, und die wirtschaftliche Prognose für einfache, datenbankbasierte Singlebörsen ist noch deutlich schlechter. Sieht man nicht auf den Umsatz, sondern auf den Gewinn, so sieht die Bilanz noch deutlich schlechter aus.
Teure Fernsehwerbung als Gewinnbremse
Die schlechten Bilanzen haben mehrere Gründe: Gegen 2009 setzte auf dem Gebiet der Online-Partnervermittlungen ein ruinöser Wettbewerb ein. Marktführer PARSHIP und Erzkonkurrent ElitePartner sahen sich plötzlich nicht mehr dem Wettbewerb von ein paar gemächlich grasenden Unternehmer ausgesetzt, die als Konkurrenten nicht recht ernst genommen wurden, sondern von einem Unternehmen, das sich von vornherein vorgenommen hatte, den Markt mit dem Einsatz von viel Geld aufzumischen – eDarling. Dieser Vorgang leitete die Zeitenwende am Markt ein: Seither gibt es drei Marktgiganten, und sie liefern sich eine Fernseh-Werbeschlacht ohnegleichen, die viele Millionen Euro kostet.
Der gesättigte Mark wird weiterhin aufgebauscht
Der zweite Grund liegt in der Marktsättigung. Irgendwann sind alle ernsthaft suchenden Singles in der Republik unter dem Dach der großen Partneragenturen und Single-Börsen – übrigens sind es viel weniger als die oft genannten „sieben Millionen“. Dass „sieben Millionen Singles“ monatlich online einen Partner suchen gehört in die Gerüchteküche. Die Bitkom setzte eine ähnliche Zahl bereits 2007 in die Welt – ohne dafür Beweise zu haben. Damals hieß es allerdings noch, dass rund „6,3 Millionen Deutsche pro Monat Online-Singlebörsen“ besuchten – Besucher sind aber nicht identisch mit Partnersuchenden. Auch die oft gehörte Zahl, dass 3,5 Millionen (oder gar 5,4 Millionen) Deutsche mit einem Interner-Partner zusammenleben, ist eine Behauptung, hinter der keine konkreten Beweise stehen. Noch absurder wird es, wenn man alle Mitglieder der Singlebörsen zusammenzählt: Dann kommt man auf rund 70 Millionen – also etwa 85 Prozent der Wohnbevölkerung inklusive Babys und Greise.
Auch vielfach verbreitete Zahlen sind zu bezweifeln
Wer die Zahlen bezweifelt, hat gute Gründe: etwa 15 Millionen Deutsche sind „offiziell“ alleinstehend, etwa 11,5 Millionen davon zwischen 18 und 65 haben (gemittelt) keinen festen Partner. Es ist völlig absurd zu glauben, dass alle diese Menschen beständig suchen, und wenn sie suchen, heißt dies nicht automatisch, dass sie nach einem festen Partner suchen. Suchen sie aber nach einem festen Partner, so ist immer noch nicht gewährleistet, dass sie online suchen.
Die Anzahl der ernsthaften Partnersuchenden, die nach einem festen Partner online über die Geschäftsmodelle der Datingbranche suchen, dürfte in Deutschland noch unter einer Million liegen, davon gegen 350.000 bei Online-Partnervermittlungen (auf der Basis eines Umsatzes von etwa 70 Mio. Euro). Diese Werte wurden (großzügig) aus den Umsatzzahlen der Unternehmen errechnet, sind also zuverlässiger als Hochrechnungen. Nehmen wir einmal an, dass sich 120.000 Menschen tatsächlich pro Jahr über Online-Partnervermittlungen kennenlernen, und dass davon jedes zweite oder dritte Paar zusammenbleibt und heiratet (dies ist allerdings spekulativ) so dürfet die Anzahl der Eheschließungen, die aus Online-Partnervermittlungen resultieren, bei etwa 17 -25 tausend pro Jahr liegen – dies entspräche dann etwa fünf bis acht Prozent der Eheschließungen in Deutschland (382047 im Jahr 2010). Selbst wenn wirklich alle, die sich über Online-Partneragenturen gefunden haben, heiraten würden, ergäben sich nur 60.000 Eheschließungen pro Jahr – das wären dann immer noch magere 16 Prozent.
Gesättigter Markt, fallendes Interesse – und eine gewagte Prognose
Nun gut –jeder Statistiker weiß, dass Statistiken in jede Richtung schön oder schlecht geredet werden können, je nachdem, wie man sie interpretiert. Doch wie bei der Sättigung des Marktes und einem fallenden oder bestenfalls gleichbleibenden Interesse der Singles an Online-Partnervermittlungen und traditionellen Singlebörsen ein blühender Markt entstehen soll, ist mir ein Rätsel, und ebenso diese Prognose: „In drei bis vier Jahren wird sich die Mehrheit der Paare online finden“. Die Mehrheit der Paare, die den festen Wunsch haben, zusammenzubleiben (aka heiraten) , läge in Zahlen bei 400.000 Personen. Na dann viel Glück, meine Damen und Herren der Branche. Da werden Sie noch viel Ideen brauchen, um dieses Ziel in „drei bis vier Jahren“ zu erreichen.
Die Zahlen, soweit nicht direkt angegeben, stammen aus:
Umsatzangaben zur Branche, gelesen beim Singlebörsen-Vergleich., darin enthalten Daten aus verschiedenen anderen Quellen.
Bundeszentrale für politische Bildung bezüglich der Zahlen der Alleinlebenden (aka Singles).
Statistisches Bundesamt (bezüglich der Eheschließungen)
Pressemitteilung ElitePartner (bezüglich der Prognose)
Die Liebepur hatte 2010 schon einmal versucht, die Anzahl der möglicherweise durch Online-Dating geschlossenen Ehen festzustellen und kam damals auf maximal 50.000 durch Online-Dating gestiftete Ehen pro Jahr.Die Zahl, die ich hier heute errechnet habe, bezieht sich nur auf Online-Partnervermittler.
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