Standard Online-Dating – auf Nimmerwiedersehen, Wachstum
Wir lasen es heute in der FTD, aber schon vorher pfiffen es die Spatzen von den Dächern: Die Goldgräberzeiten im Bereich der „gewöhnlichen“ Singlebörsen sind vorbei, die Umsätze sind rückläufig – von den Erträgen einmal ganz zu schweigen. Festgestellt hat es der Singlebörsen-Vergleich.
Die sogenannte „Branche“ will sich darauf einstellen. Marktführer Friendscout24 hat längst ein Auge auf den immer noch etwas erfolgreicheren Bereich der Online-Partnervermittler geworfen – allerdings, wie man hörte, mit mäßigem Erfolg. Was bei der Partnervermittlung noch durch Integration in die Singlebörse gelingen sollte, wurde beim erotischen Datingportal, „Secret“ genannt, ausgelagert. Hier bemüht sich die Telekom hauptsächlich um Frauen, und entsprechend stilvoll ist man die Sache angegangen. Allerdings hat die Sache noch einen kleinen Haken: Die „Genossin Trendin“ spielt offenbar noch nicht recht mit bei „Secret“, denn selbst die „offiziell“ verkündeten Mitgliederzahlen sind dürftig, und wie viele aktuelle Premiummitglieder man wirklich hat, mag man ohnehin niemandem sagen – die anderen sagen es ja auch nicht.
Bessere Zeiten also für die Online-Partnervermittler? Nein, eigentlich auch nicht. Bei ihnen stimmt zwar der Umsatz noch leidlich, aber der Ertrag wird schon lange weggefressen. Verantwortlich dafür ist die ruinöse Werbeschlacht, die sich die drei Spitzenreiter liefern.
Wenn nichts geht, was geht dann eigentlich noch? Casual Dating eigentlich schon, wenn man sich rechtzeitig etabliert hat. Wer mit weniger Scheuklappenblick und Euroscheinen in den Augen als die Branche auf die Sache zugeht, der erkennt zweierlei: Erstens werden Flirts, Affären, Kurzbeziehungen und Ultrakurzbeziehungen (ONS) endlich dahin verlagert, wo sie hingehören, und andererseits rutschen die Schmuddelportale mit ihren Freizeithuren nun endgültig in den Rotlichtbezirk des Internets ab – und dies war eigentlich schon seit langer Zeit fällig. Die Singlebörsen selber waren und sind sozusagen „Hybrid-Transporteure“ Amors. Von der Ehe bis zum ONS war bei ihnen alles zu haben – nur sagten dies viele Mitglieder nicht.
Ob sich das „leicht und locker“ der Singlebörsen noch steigern ließe? Die meisten sogenannten „Facebook-Applikationen“ aber auch unabhängige Netzwerke wie Badoo, arbeiten mit weitaus dürftigeren Daten und Fakten als jede Singlebörse. Nicht nur deswegen sind die Meinungen über diese angeblich „modernen“ Portale geteilt. Ob sie dem Single tatsächlich irgendeinen Nutzen bringen, ist bislang völlig unklar – sie schwimmen eben auf der Popularität von Facebook – doch ob das auf Dauer reicht? Wohl kaum. Man kann ebenso gut die neue Werbeassistentin in der PR-Abteilung, das Bäckermädchen aus der Bäckerei nebenan oder die Wäscheverkäuferin in der Herrenabteilung eines Warenhauses anmachen, ohne dass diese Orte als ideale Balzplätze für Singles bezeichnet werden.
Ein Wort noch zu Trends: Trends werden oft herbeigeredet. Sie kennen sicher den Spruch: Wenn drei Leute unabhängig voneinander über etwas schreiben, ist es ein Trend. In Wahrheit halten sich die Menschen außerhalb der Trendmaschinerie aber nicht an kurzfristige Moden, sondern sie wollen ihre höchst privaten Ziele verwirklichen – ob mit dem Trend oder gegen den Trend.
Es ist durchaus möglich, dass sich die Jugend, auf die alle als Kunden hoffen, sogar ein wenig von dem Rummel distanzieren wird, der heute um „Online-Dating“ in sozialen Netzwerken gemacht wird.
Die heutigen Anbieter haben übrigens noch ein ganz anderes Problem als nur das, mit Facebook zu konkurrieren: Sie haben die Interessen ihrer Mitglieder weitgehend aus dem Auge verloren – was vor allem daran erkenntlich ist, dass man zu offenkundig hinter ihrem Geld her ist. Dienstleistung bedeutet ja, einen Dienst zu erbringen – und wenn der Dienst darin besteht, dass man einmal den Computer anwirft und dann hofft, dass alle fleißig unnötige Abos kaufen – dann ist man eben schnell in Verruf gekommen.
Spricht man mit den Kaufleuten aus der Branche, dann sind sie immer schnell mit Rechtfertigungen bei der Hand: Der Kunde sei schließlich diese Abo-Systeme gewöhnt, sie würden ohnehin weitgehend akzeptiert und was dergleichen Hohlworte mehr sind. Diese Leute sollten sich mal im Mobiltelefonbereich umsehen, in dem das obligatorische „Abo“ inzwischen „fairen Tarifen“ gewichen ist.
Machen wir es kurz: Bei dem Verdrängungswettbewerb, der zurzeit am Markt herrscht, wäre es nicht schlecht, den Kunden wieder zum König zu machen. Doch soweit sind die Anbieter heute offenbar noch nicht, weil noch – trotz schwindender Umsätze und Gewinne – noch so viel verdient wird, dass die Konzernspitzen der jeweiligen Unternehmen zufrieden sind.