Liebesromane schaden Frauen – aber wer will schon die Realität?
Sich wichtig zu machen ist inzwischen eine beliebte Disziplin in der Psychotherapie, und weil die Themen inzwischen alle abgelutscht sind, begibt man sich neuerdings auch in die Niederungen des Groschenromans.
Diesmal heißt die Therapeutin Susan Quilliam, und die schreibt eine Menge Bücher, beispielweise über die Körpersprache der Liebe, Frauen und Sex oder wie Paare ihre Lust erhalten können.
An die Presse ging sie nun aber wegen einer tiefen Sorge, die sie offenbar plagt: Liebesromane – jenen seichten und gefälligen Bereich, in dem die bürgerliche Romantik ihren einzig gerechten Ausdruck findet. Sie warnt daher vor Liebeskitsch als Massenware für wabbelige Frauenherzen, weil sich dadurch falsche Vorstellungen über das Leben zu zweit einschleichen würden.
Zudem beklagt sie, dass nur in 11 Prozent der Fälle ein Kondom erwähnt wird – ja, wie kann man nur? Offenbar verwechselt die gute Dame Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit Lehrerinnen und Lehrern. Die Literatur dieser Art („Dienstmädchenliteratur“) existiert seit vielen Jahrzehnten und dient dazu, etwas zu verherrlichen, was es in der Realität nicht gibt: die reine, romantische Liebe. Man könnte sagen: Das wirkliche Leben verdeckt seine spitzen Steine, an denen man sich die Seele aufschlitzt, während die Kitschliteratur den gutartigen, aber kantigen Helden mit breiter Brust zum Ankuscheln den listigen Verführern und Betrügern gegenüberstellt und so Glauben macht, Frauen könnten sozusagen in die Arme des Guten hineingleiten, wenn sie nur von reinem Geiste sind.
Doch sehen wir die Sache einmal anders herum: Ob Damen nun lustvoll in den Armen der guten oder der Bösen liegen, oder ob es gar eine Frau ist, die ihnen Trost und Wonne beschert – immer ist es eine kleine Flucht aus einer Realität, die ja alles andere als ein Zuckerlecken im Schlaraffenland ist. Wir suchen in der Trivialliteratur, was wir nicht sind, was wir nicht haben und was wir nicht können: feurige Liebehaber oder Geliebte, Macht und Geld, sanfte Begegnungen und unendliche Wollust – vor allem aber völlig problemlose Beziehungen zur Heldin oder zum Helden.
Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich wir Trivial-Liebesromane und erotische Literatur betrachten: Beide bieten die Illusion, das Leben sei „irgendwie schick“ und alles sei leicht und locker zu erreichen.
Ob wir damit die Jugend verderben? Wohl eher nicht. Die Realität ist schwer zu ertragen und wird kaum akzeptiert. Das gilt im Übrigen auch für die Partnersuche oder für das „Dating“, wie man heute sagt. Neunzig Prozent der „guten Ratschläge“ sind „positiver Kitsch“, weil man den Partnersuchenden in tausend Varianten die gleiche Lüge vermittelt: „Du musst dich und deine Einstellung weder kennen noch verändern, sondern dich nur verlieben“.
Na klar – das geht auch: für eine Nacht. Wenn man Spaß daran hat – meinetwegen. Ich darf aber vermuten, dass die meisten von Ihnen eher eine längerfristige Beziehung suchen. Und da hilft eben nur, einmal gründlich Inventur bei sich selbst zu machen – und dann ist es sogar möglich, sich ganz bewusst einer einzigen Liebesnacht hinzugeben, weil man zu unterscheiden gelernt hat, von wem man das Eine oder das Andere bekommen kann.
Quelle als Anregung zum Thema Beispielsweise in dnews.