Kein Wort zum Kachelmann-Prozess – aber zu Gutachtern
Wir haben einen Grundsatz: Wir schreiben äußern keine Meinungen zum Kachelmann-Prozess. Aber wir haben natürliche eine Meinung dazu, was „privat“ ist – und Sexualität ist nun einmal privat, auch wenn die BILD-Zeitung darüber grundsätzlich anderer Meinung sein sollte.
Niemand – auch kein Psychologe und kein Psychiater – hat das Recht, unser Liebesleben in Kategorien zu pressen, einzuordnenden, abzustempeln und letztendlich zu beurteilen. Die Welt ist voll von Fehlurteilen der Psychologen und Psychiater, weil es keine „objektive“ Meinung über die Lust und die Liebe gibt.
Die Dinge, über die ich jetzt schreibe, sind bereits Geschichte. Aber die Protagonisten waren berühmter als es der Herr Kachelmann ist, und die Gutachter der damaligen Zeit waren angeblich Koryphäen ihres Fachgebiets. Da hatte der „berühmte“ (wir würden eher sagen: berüchtigte) aber in Psychiaterkreisen bis heute hoch angesehene Freiherr von Krafft-Ebing die Prinzessin Louise von Sachsen-Coburg und Gotha für „schwachsinnig“ erklärt, und andere „Gutachter“, wie der Wiener Neurologe und hoch angesehen Professor Heinrich Obersteiner bestätigten das Urteil.
Es war ein Gefälligkeitsgutachten für die Obrigkeit, weil sich die Prinzessin scheiden lassen wollte – so etwas tat man einfach nicht, und weil man „so etwas“ einfach nicht tat, war man irrsinnig und vom Wohl und Wehe der Psychiater abhängig. Doch was damals galt, gilt heute ebenso, und vielleicht noch mehr: Wir glauben Menschen, die sich im Gewand der Wissenschaft bewegen, sogar noch dann, wenn die Behauptungen unseren ureigenen Erfahrungen widersprechen.
Deshalb nochmals:
Niemand hat das Recht, unsere Liebe einzuordnen, zu bewerten und zu entwerten, und diejenigen, die es dennoch tun, sollten sich ihrer Taten schämen.
Eine der wenigen Stellungnahmen, die ich Ihnen zum Kachelmann-Prozess ans Herz lege, ist die der „Berliner Zeitung“ von Malte Welding.
Warum nur sind Blogger (wie Malte Welding) inzwischen eigentlich die objektiveren Journalisten? Möglicherweise, weil sie tatsächlich unabhängig sind und nicht dem Mainstream folgen müssen.
Für diesen Artikel wurde folgendes Buch benutzt: „Frühere Verhältnisse“ – Geheime Liebschaften in der k u. k. Monarchie“, Wien 2010.