Riskante Partnersuche oder unendliche Illusion?
Ist es richtig, einseitige Erfahrungen in Zeitungen zu veröffentlichen, um „andere Frauen vor Internetbekanntschaften zu warnen“? Das ist der Originaltext, wie ihn das „Hamburger Abendblatt“ veröffentlicht hat:
Ich schreibe, um andere Frauen vor ähnlich schmerzhaften Enttäuschungen zu bewahren.
Was war passiert? Ich bin versucht zu sagen: das Übliche. Eine völlig unkritische und leichtgläubige Frau, die eine recht merkwürdige Beziehung zu einem Mann eingeht: Er „besucht sie“, soweit er es „einrichten kann“. Er lädt sie nach Ibiza ein, aber sie verweigert die Einladung. Auch nach langer Zeit einer angeblichen „Beziehung“ kennt sie weder seine Wohnung noch seinen Arbeitsplatz – und genau genommen weiß sie gar nicht von ihm. Sie behauptet, sich mit ihm „gut verstanden“ zu haben, und er soll „sehr charmant“ gewesen sein.
In Wahrheit war der Mann ein Filou, einer, der noch zu vielen weiteren Frauen die Zeit versüßt hat – zwölf sollen es gewesen sein, und jede von ihnen wähnte sich im Glauben, die Einzige zu sein. Alle Frauen hatten angeblich mit dem Mann Geschlechtsverkehr – und noch eine Frau war im Spiel: seine Ehefrau.
Nur eine Beziehung ist eine Beziehung
Ich lasse mich nicht so weit herab, zum Verhalten dieser Frau als Person eine Beurteilung abzugeben. Doch vielleicht sollte man die Dinge einmal mit Logik angehen, und dann sieht die Sache so aus:
– Wer einen Mann hat, der „ab und an zu Besuch“ kommt, der hat einen Mann, der ab und an zu Besuch kommt – und nicht mehr.
– Wer eine Liebesbeziehung mit einem Mann anstrebt, der sollte auch das Lebensumfeld des Mannes kennenlernen – es gibt keine ernsthafte Beziehung, die das Lebensumfeld ausschließt.
– Beziehungen, die das Lebensumfeld bewusst ausließen, nennt man Affären. Es steht jedem frei, Affären zu haben, aber dann sollte man sie bitte nicht „“Beziehung“ nennen.
– Wenn eine Person einseitig eine Affäre Beziehung nennt, bedeutet dies nicht, dass es sich auch um eine solche handelt. Es kommt viel mehr auf die Inhalte an.
Eine betrogene Ehefrau – und zwölf Liebschaften
Auch bei anderen Definitionen sollte man vorsichtig sein: Der Mann, der in Rede steht, hat nicht „12 Frauen betrogen“ – die einzige Frau, die er betrog, war seine Ehefrau. Die übrigen zwölf Frauen haben nicht einmal Grund zur Klage – sie waren eben Affären, und sie hätten wissen können, dass sie Affären waren. Warum haben sie es nicht getan? Warum haben sie an der Illusion festgehalten, die „einzige Geliebte“ zu sein? Eine der möglichen Antworten wäre doch immerhin: „Weil es eine todschicke Illusion war.“
Die Psychologin sieht es anders. Sie hat längst den Bösewicht erkannt: Der Mann ist der schamlos agierende Feind. Sie schreibt:
Dieser Mann hat sie belogen und betrogen, sie hintergangen mit den anderen elf Frauen. Schamlos hat er ihre Sehnsüchte, ihr Vertrauen und ihre Gutgläubigkeit ausgenutzt.
Schamlos belogen und betrogen? Haben denn diese Frauen während ihrer langen Liebschaften (was sonst war es denn?) nicht auch profitiert und den Charme des Mannes genossen? Ist alles, was der Mann ihnen geschenkt hat, nur deshalb wertlos gewesen, weil er über seine Person geflunkert hat?
Ich sehe ein, dass es schmerzvoll sein kann, wenn sich die Identität eines Menschen als falsch herausstellt. Doch darf man hier nicht die Gegenfrage stellen: Wollten die Damen überhaupt mit einer wirklichen Person schlafen, oder war ihnen die Identität des Mannes gar nicht so wichtig, weil er ihnen schöne Stunden schenkte, die sie ohne Kenntnis der falschen Identität ja wohl hochgelobt hätten?
Jeder von uns hat das Recht, sich Illusionen hinzugeben – Sie und ich auch. Wenn wir dies tun, wird es immer Menschen geben, die uns aus Eigennutz in den Illusionen bestärken, während und andere, die nicht eigennützig sind, davor warnen. Kleine Illusionen schaden uns auch nicht, weil sie eins schicke Flucht vor der schrecklichen Realität sind.
Was wir tun können? Nun, wir könnten versuchen, die Realitäten als Realitäten zu leben und die Illusionen als Illusionen. In der Liebe müsste uns das eigentlich gelingen.
Zum Schluss noch ein Satz: Das Leben ist chancen- und risikoreich, und also ist die Partnersuche ebenfalls chancen-und risikoreich. Das Risiko in den Vordergrund zu stellen, ist keine gute Idee.
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