Evolution: Den Besserwissern die Leviten lesen …
Die Presse lässt sich normalerweise von der Wissenschaft unterjochen – sie hat nicht die Potenz, der Flutwelle „wissenschaftlicher“ Behauptungen standzuhalten und sie ist zu träge, den Wahrheitsgehalt „wissenschaftlicher“ Erkenntnisse zu überprüfen. Daher kommen die ständig neuen Behauptungen, wie die Evolution unsere Partnerwahl beeinflusst und damit angeblich „unser aller Zukunft“. Jeder Laie hätte feststellen können, dass diese sogenannten Tatsachen aus einem pseudo-wissenschaftlichen Sumpf gezogen wurden, der Jahrmillionen mit wenigen Jahren vergleichen will.
Was ist nun aber in uns wirklich noch „archaisch, naturbehaftet und irgendwie steinzeitlich?“
Der renommierte Zoologe und Evolutionsbiologen Josef H. Reichholf versucht in einem WELT-Interview eine Antwort, und sie ist schwer zu verstehen, weil sie differenziert. Doch damit liest er zugleich den vorlauten, geschwätzigen Kolleginnen und Kollegen die Leviten, die sich auf den Flügeln des Darwinjahres (2009) noch schnell ein paar Lorbeeren verdienen wollten. Denn wenngleich sich „innerlich“ beim Menschen nicht viel verändert hat, seit er aus der Savanne gekommen ist, hat sich in der Kultur eine Menge verändert, nämlich, so der Biologe:
Die größten Veränderungen brachte das Wissen mit sich. Vieles von dem, was unsere Großeltern für undenkbar hielten, ist heute völlig normal … manch hoch gelehrte Meinung, die vor 100 Jahren über damals neue Entwicklungen geäußert worden war, mutet uns heute wie völliger Schwachsinn an.
Es gilt also: Zwar lässt sich die Partnerwahl naturgegeben nicht ohne Weiteres verändern, aber die bedeutet nicht, dass immer die stärksten Alpha-Männchen die schönsten Weibchen nahmen – oder die schönsten Weibchen sich immer an die stärksten Alphamännchen heranpirschten. Schon alleine die Tatsache, dass auch im Reich des Homo sapiens eigentlich die Frauen bestimmen, wer sie begatten darf und wer nicht, sollte manchen Forschern wohl zu denken geben. Daran änderte auch die bürgerliche Kultur nichts, die den Frauen gar keine Wahl ließ – sie war nur ein Wimpernschlag in der Evolution.
Die Schönheit, so der Biologe in einem neuen Buch, sei nicht einfach nur „schön“, sondern sie verweist auf ein „inneres Potenzial“. Ein wenig Kritik bleibt dennoch: Müssen wir nun „innere Potenziale“ oder „Schönheit“ neu definieren? Auch dem pragmatischen Biologen bleibt also nicht erspart, dass in Worten Kriterien verborgen sind, die über den Alltagsgebrauch hinausgehen, denn in welcher Schönheit sich der Geist zeigt, das dürfte wohl auch weit über die biologische Betrachtung hinausgehen.