Heiratsanträge öffentlich aussprechen – Ehen öffentlich vollziehen?
Zu Luthers Zeiten musste die Ehe noch öffentlich vollzogen werden – inzwischen haben wir einen Fortschritt erreicht: Der Klerus steckt seien Nase nicht mehr ins Schlafgemach frisch vermählter Paare. Offenbar gibt es aber auch einen Rückschritt: Verlobungen aka Heiratsanträge werden angeblich immer häufiger öffentlich vorgebracht – dem zweifelhaften Beispiel einer gewissen Monica Lierhaus folgend, nach deren Rührauftritt zwecks Wiederbelebung der Publicity offenbar einige Packungen Papiertaschentücher durchgeweint wurden – bevor man von dem Deal hörte, der zuvor ausgekaspert wurde.
Heute sollten wir eigentlich begriffen haben, was zum Privatbereich gehört: Liebe, Erotik, Sex, Ehe- und Familienplanung. Doch seit eine Generation von Hampelmännern und Hampelfrauen die Unsitte zelebriert, auf sozialen Netzwerken zu leben statt in der Realität, ist auch diese zivile Tugend wieder ins Wanken geraten.
Natürlich dürfen die Spinner tun, was sie wollen – aber man sollte sich selber einfach weigern, den Kasper in diesem Spiel zu machen, es sei denn, man ist sowieso die Gretel und findet es schick, wenn der Kasper das Krokodil verhaut. Aber dann sollten Leute nicht heiraten, sondern zunächst einmal einen Kurs fürs Erwachsenwerden belegen.
Übrigens: Die zivile Form des Eheversprechens heißt „Verlobung“, und sie hat gewisse Rechtsfolgen, die jedermann im BGB nachlesen kann.In englischsprachigen Ländern gibt es die schöne Sitte, die Verlobung dort zu zelebrieren, wo man sich kennengelernt hat – das ist dann zwar auch oft „öffentlich“, hat aber den richtigen Rahmen. Im Übrigen weiß eine Frau dort sehr wohl, was ihr „blüht“, wenn sie zu diesem Termin geladen wird – und als weitere schöne Sitte gibt es für die Braut dort einen wertvollen Schmuckring, den Verlobungsring. Also – wenn schon in der Öffentlichkeit, dann bitte ohne öffentliche Beachtung. BILD ist gottlob nicht an jedem von uns interessiert.
Das Bild zeigt einen Brautsegen mit der Unterschrift: Wye reymont vnd melusina zuamen wurdent geleit / Vnd vom bischoff gesegnet wurdent in dem bett (Holzschnitt aus der „Schönen Melusine“ XV. Jahrhundert), Aus: „Sittengeschichte des Intimen“