Seitensprung: Zeit der christlichen Berufs-Empörer
Vielleicht sollte ich einen Satz Vorausschicken: Ich halte viel von ehelicher Liebe, unbedingter Treue und dem Versprechen, beieinanderzubleiben. Aber ich bin alles andere als ein Berufsempörer. Wobei sich für mich die Frage ergibt: Brauchen wir sie überhaupt, die Leute, die ständig öffentliche Sexualmoral festschreiben wollen? Oder mit anderen Worten: Halten wir die Kirchen eigentlich für Kompetent, zu einem Phänomen wie Ashley Madison Stellung zu beziehen?
Da bleibt kein Argument ungebraucht: Auf die Bibel folgt das Grundgesetz, das die Würde des Menschen als unantastbares Gut festschreibt. Ja, und dann geht man „in die Vollen“: „In der Bibel steht sie (die Sexualität) für Größe und Würde, aber auch für die größte Versuchung und Zerstörung menschlicher Würde.“
Ja, und das alles wird durch Seitensprünge unwiderruflich zerstört?
Ich will jetzt mit Ihnen gar nicht über die „Moral“ des „Alten Testaments“ sprechen. Einen Teil würde ich damit langweilen, einen anderen verletzen, denn dort steht die Sexualität keinesfalls unter dem Schutzschirm der Würde. Ich würde Ihnen empfehlen, selber einmal nachzulesen, statt den Priestern zu glauben. Jedenfalls konnten freie Männer (und nur sie) zu Zeiten des Mose im eigenen Haus gar nicht fremdgehen: Weibliche Bedienstete und Sklavinnen waren ihr Eigentum, und sie konnten deshalb auch beschlafen werden. Was das mit der „Würde es Menschen“ zu tun hat, dürfen die Priester ja gerne erläutern, wenn sie wieder einmal Langeweile haben.
Heute haben Frauen die gleichen Rechte wie Männer, und dies ist das eigentliche Phänomen am Seitensprung: Frauen sind dort erkennbar aktiver geworden, und genau seit dieser Zeit wird gegen den Seitensprung polemisiert – nicht nur vonseiten der Kirchen, wie ich zugeben muss. Doch all die frommen und unfrommen Reden werden nichts nützen: Die Emanzipation der Frauen brachte uns als viel Segen, und nun müssen wir auch die Seiteneffekte in Kauf nehmen.
Man mag darüber streiten, ob man mit Sex Profite erzielen darf. Doch diese Frage ist keine Frage, die uns die Kirchen beantworten können. Solange es Lüste gibt, die konsumierbar sind (und keinesfalls nur sexuelle), solange wird es Anbieter und Nachfrager geben. Genau wie bei Krediten, die Christen ja auch lange Zeit nicht gewähren durften.
Nun und die öffentliche Aufregung um die Seitensprünge? Sie arbeitet in Wahrheit nur den Seitensprungagenturen in die Hände. Mit jeder Erwähnung des Namens Ahsley Madison in der Presse wird es wieder ein paar Interessenten mehr geben.