Experten wollen uns lehren, „richtig“ zu lieben
Wie gut, dass wir immer wieder belehrt werden, was Liebe ist und wer zusammenpasst. Während sich namhafte Autoren wie Arnold Retzer sich da vornehm heraushalten, weil es eine solche Antwort nicht gibt, halten sich Volkshochschulkurse offenbar für kompetent, die Antwort zu geben, und die klingt dann so:
Für eine lange Liebesbeziehung müssen die Charaktere zusammenpassen.
Wer es glaubt, mag damit selig werden, und wer es nicht glaubt, sollte an den Hahn auf dem Mist denken. Welche Charakterbestandteile oder sagen wir besser welche Persönlichkeitsmerkmale müssen denn bitteschön „zusammenpassen“? Gerade haben wir mehrfach und verbindlich gehört, dass es solche Übereinstimmungen aus wissenschaftlicher Sicht nicht gibt. Und jetzt gibt es sie doch?
Da fehlt nun noch der Psychotherapeut. Der sagt dann:
Wir suchen unseren Partner nach dem gegengeschlechtlichen Elternteil aus.
Na wie schön, dass wir sie nicht alle nach dem gleichgeschlechtlichen Elternteil aussuchen. Nur: Wie kann der Therapeut da so sicher sein? Er kennt doch nur die Menschen aus seinem Praxis und seinen Kursen – und diese Menschen gehen zu ihm, weil sie Schwierigkeiten haben. Was ist mit denen, die keine Probleme haben? Hängen die auch fest auf dem Muster der gegengeschlechtlichen Elternteile wie die Fliege auf dem Leim?
Nun gut, der Artikel wurde (wie dieser auch) von einem Journalisten geschrieben, und wie so oft bei Journalisten, wird die Momentaufnahme auf die Weltsicht erweitert. Die Frage „wie liebt man richtig“ kann man dann am Schluss auch definitiv vergessen. Liebe ist harte Arbeit, auf Dauer gesehen jedenfalls – aber sie ist auch eine wundervolle, kreative Arbeit.
Der Artikel in der WELT am SONNTAG ist übrigens dennoch lesenswert, vorausgesetzt, man ignoriert die Frage, wie man „richtig“ liebt, denn in der Liebe gibt es kein „richtig“ oder „falsch“.