Gleich und Gleich – Psychologie und Wahrheit
Um es gleich vorauszuschicken: der Spruch „Gleich und Gleich gesellt sich gerne“ hat sich als richtig erwiesen, während für die Zeitungs-Psychologenweisheit „ähnliche Charaktereigenschaften sind wichtig, damit eine Partnerschaft dauerhaft bestehen kann“ in den Bereich der Märchen und Sagen verwiesen werden muss. Wie kommt dieser Unterschied zustande?
Weil sich „Gleich und Gleich“ nicht auf die Charaktereigenschaften, sondern in erster Linie auf die Herkunft, das soziale Umfeld und das Verhalten beziehen. Der Volksmund hat dies immer richtig interpretiert – erst die Psychologen haben mit ihren Fehlinterpretationen für Verwirrung gesorgt. Nun schreibt der renommierte Beziehungsforscher Manfred Hassebrauck:
Nach allem, was die Forschung bisher festgestellt hat, wirkt sich die Ähnlichkeit von Persönlichkeitseigenschaften nur gering – wenn überhaupt – auf die Qualität der Beziehungen aus.
Dabei gibt es erhebliche Meinungsunterschiede darüber, was eigentlich „Charaktereigenschaften“ oder „Persönlichkeitsmerkmale“ bedeuten. Wenn ein relativ abstrakter, aber in der Psychologie zum unverzichtbaren Heiligtum erhobener Begriff wie „Extravertiertheit“ bei Menschen gleich sein soll, was ist dann mit der relativ einfachen Verhaltensweise „Humorvoll sein“? Nach all meinen Beobachtungen zum Thema existiert keine sogenannte Charaktereigenschaft als feste Größe, und auch ihr vermeintliches Gegenteil ist: Im Verhalten zeigt sich mal die eine, mal die andere Komponente.
Machen wir dies am Beispiel: „Humor“ und „Ernsthaftigkeit“ fest. Ein Mensch, der Humor hat, betrachtet das Leben ja nicht als eine unendliche Folge von Späßchen, sondern er wird deswegen geschätzt, weil er die Klippen allzu großer Ernsthaftigkeit umschiffen kann. Dennoch kann er bei einer schwierigen Entscheidung ernsthaft jedes Detail der eingereichten Vorschläge ernsthaft prüfen, einem Menschen mit Sorgen ernsthaft zuhören oder sich einer ernsten philosophischen Überlegung widmen.
Genau genommen müssten wir heute die gesamte Charakter- und Persönlichkeitskunde mit ihren künstlichen Dualismen und den daraus resultierenden Behauptungen als einen psychologischen Tinnef bezeichnen – aber das tut kein Psychologe, weil er damit Feuer unter dem Hintern von seinen etablierten Kollegen bekommen würde.
Auch dazu sage ich Ihnen gerne noch ein Beispiel: Eine der wichtigsten Eigenschaften eines Menschen im Beruf ist Problemlösungskompetenz, und in Beziehungen sprechen wir von der „Art mit Problemen umzugehen“. Beides sind allerdings keine Charakter- oder Persönlichkeitseigenschaften, sondern Fähigkeiten, die man sich sogar aneignen kann.
„Gleich und Gleich“ ist vielfach noch ein psychologisches Mantra sogenannter „Partnerübereinstimmungstest“. Ich vertraue darauf, dass sich hier in Zukunft manches ändert und die Kriterien stärker betont werden, die tatsächlich „relevant für eine dauerhafte Partnerschaft“ sind. Die „Big Five“ sind es jedenfalls nicht.
Zitate: Die WELT (gekennzeichneter Link), Manfred Hassebrauck: „Alles über die Liebe“, München 2010
Eine andere Darstellung befindet sich auf „Liebe“ im Webmaster-Verzeichnis.
Die Kritik zu einzelnen Thesen dann hier.
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