Die Krise ist für alles verantwortlich – wer sonst?
Die Anzahl der Menschen, die eine ernste Partnerschaft anstreben, steigt möglicherweise. Die Urheber von Meldungen, dass Online-Partnervermittlungen einen starken Zulauf haben, nehmen dies jedenfalls an.
Nun klingt dies plausibel, nicht wahr? Wenn die Online-Partnervermittlungen mehr Zulauf haben, müssen sich mehr Menschen für Beziehungen interessieren, das meinen Sie doch auch?
Abgenickt? Dann sind Sie hereingefallen. Warum die Menschen nun mehr und mehr zu Online-Partnervermittlern gehen, kann andere Gründe haben: Modetrends, Zeitmangel, aggressive Werbung der Unternehmen, Verlagerungen in der Bevölkerungsstruktur – das wären nur einige Gründe. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen „ernsthafter Partnersuche“ und „Online-Partnervermittlungen“ ist konstruiert.
Der nächste Schritt wäre dann, eine Behauptung auf die Behauptung aufzusetzen: Wenn immer mehr Menschen eine feste Partnerschaft durch Partnervermittlung online suchen, dann kann es dafür nur einen Grund geben: die Krise. Mal heißt sie Finanz-, dann wieder Wirtschaftskrise, und sie ist offenbar gut für alles: von Depressionen über die Partnersuche bis hin zu Ehescheidungen.
Oh, welche Krise denn nun, bitte schön? Haben wir in der Bundesrepublik Deutschland wirklich eine Krise, die die Menschen gegenwärtig erschüttert? Ja, wir hatten Angst vor dem Zusammenbruch der Banken und vor dem Schwinden des Geldwertes. Diese angebliche Angst haben mir Menschen allerdings bereits 2005 berichtet, als die „soziale Kälte“ angeblich so groß wurde, dass die Menschen in Beziehungen flohen.
Die Krise? Diese Krise, von der die meisten Menschen fast gar nichts bemerkt haben? Diese Krise, die angeblich allgegenwärtig ist, obwohl es bereits wieder viele Berufe gibt, in denen Mangel herrscht? Diese Krise, in der Zehntausende Menschen ihre Ehen willkürlich gefährden, indem sie Seitensprünge wagen? Diese Krise, in der einem großen Teil der Damenwelt (und vielen Herren, zugegeben) kein Partner gut genug ist?
Es mag sein, dass die Menschen, die von „der Krise“ betroffen sind, nicht die Menschen sind, die ich soeben erwähnt habe. Aber die Menschen, denen es wirklich und wahrhaftig schlecht geht, suchen auch nicht wie irrsinnig nach Partnern, sondern bringen erst einmal ihr eigenes Leben in Ordnung.
Die Krise, ach, die Krise. Nun bringt sie angeblich auch Scheidungen hervor, und die Krönung ist: Sie würde Scheidungen hervorbringen, aber sie tut es nicht, weil nach der Scheidung die Armut droht.
Zitat aus dem be2 Blog:
Trotz allem sinken die Scheidungsraten, ganz einfach, weil viele Paare sich keine Scheidung leisten können! Auch wenn beide Partner die Beziehung am Liebsten beenden würden, scheuen sie die Kosten getrennter Haushalte.
Ja, ich begreife: Die Krise ist so groß, dass wir uns nicht einmal mehr alle komfortabel scheiden lassen können.
Ach, die Krise: Sie ist wirklich ein wundervoller Buhmann, nicht wahr? Was würden wir eigentlich tun, wenn wir sie nicht hätten?
Bild: © 2007 by yeah chià!
2 Antworten auf Die Krise ist für alles verantwortlich – wer sonst?