Heiratstrend – ein Ende der Durchmischung?
„Früher“ ist immer relativ – die Menschen, die heute von „früher“ sprechen, reden ja in Wahrheit von ihrer Jugend, bestenfalls von der Vater- oder Großvatergeneration. Dennoch sollte uns dies zu denken geben:
Die beiden Heiratsrevolution in Deutschland, wenn man dies so nennen will, fand eigentlich nach den beiden verlorenen Kriegen statt: Beide brachten Armut, Männermangel, Hunger und Geldentwertung. Nach dem Erster Weltkrieg war es die Geldentwertung, durch die die bisherige Heiratsformel außer Kraft setzte, die lautete: Frauen konnten nur bei ausreichender Mitgift auf gleicher Ebene oder „nach oben“ heiraten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es dann dass Misstrauen gegen die Unterstützer Hitlers, also fast die gesamte Elterngeneration, die vielen Menschen den Rat hinterließ: „Heiratet einen Menschen, der auch in eine neue, bessere Welt hinausträgt“ – die sozialen Schranken wurden dadurch nahezu völlig abgebaut, und eine ganze neue Generation von klugen, verantwortungsbewussten und auch wohlhabenden Männern fand sozusagen „Frauen zum Aussuchen“. Für männliche Akademiker kamen damals überwiegend Frauen auf relativ niedrigem Bildungsniveau infrage, denn die „Tochter studieren zu lassen“, war damals noch recht ungewöhnlich.
Nun schient es, so, als ob diese „Heiratsmobilität“ wieder aufgehoben würde: Dies will jedenfalls Markus Grabka anhand von Statistiken festgestellt haben, wie er der Zeitschrift „der Freitag“ sagte:
… heute heiraten der Arzt und die Ärztin. Da kommen dann zwei starke Einkommen und oft genug auch Erbschaften zusammen. Das entspricht der bereits mit Zahlen gut belegbaren Entwicklung, dass Mobilität und Durchmischung der Schichten in Deutschland abnehmen: Wer unten ist, bleibt dort – und wer oben ist auch.
Grabka findet dies übrigens beunruhigend – und ich auch. Der soziale Aufstieg muss über vielerlei Möglichkeiten verfügbar sein und nicht nur über Ausbildung, Vermögen oder Macht. Vielleicht darf ich daran einmal erinnern: Die sozialen Fähigkeiten des sogenannten „einfachen Volkes“ waren schon immer unmittelbarer und direkter ausgeprägt als die der Bürger oder Akademiker. Es spräche also gar nichts gegen die Vermischung, wenn man das Wohl des Volkes wie auch das gemeinsame Glück im Auge hätte und nicht die vermeintliche Augenhöhe, auf der man einander heute so zwanghaft begegnen möchte.