Das Leben in Schwärmen und anderwärts
Wer diese Zeilen liest, hat vermutlich etwas mit Internet-Dating zu tun – oder er hat wenigstens schon einmal daran gedacht. Inzwischen hat Internet-Dating etwas mit einem Trend zu tun: Der Schwarm, in dem wir uns tummeln zieht in eine Richtung, also tun wir es auch. Als es noch „pfui bah“ war, einen Partner in den Heiratsannoncen oder Bekanntschaftsanzeigen zu suchen, haben wir das natürlich alle niemals getan, nicht wahr? Da war es auch noch nicht „in“. Da schwärmten wir noch nicht in einer Richtung, machten mit Facebook unser Privatleben zu einer Farce und ließen im Erotikchat noch nicht anonym das Höschen herunter. Es mag ja sein, dass Sie das eine oder andere wirklich niemals getan haben – und dazu kann ich Ihnen sagen: da haben Sie wenig versäumt. Wie Sie denn überhaupt recht wenig versäumt haben, wenn Sie kein Facebook-, Twitter- oder XING-Mitglied geworden sind, aber das nur nebenbei.
Nun schwärmen wir also aus: Partnersuche per Internet, und ich will ganz offen sein: das ist erstens wirklich eine tolle Sache und zweitens bringt diese Einrichtung tatsächlich Menschen zusammen, die einander im Leben kaum getroffen hätten – den Maler und die Studienrätin oder die Landärztin und den freien Schriftsteller, zum Beispiel und viele, viele andere, die tatsächlich zu individuell leben, um sich an ihrer nächsten Umgebung zu orientieren.
Aber – das ist nicht die Regel. Tatsächlich lernen wir im Internet nur Menschen kennen, die anderswo in ähnlichen Verhältnissen einen ähnlichen Lebensstil pflegen – genau die sollen wir ja auch treffen: Menschen, die uns ähnlich sind. Fragt sich nur, warum wir dann den Aufwand betreiben? Denn während die Zeitungsannoncen für die wenigen Individualisten, Spätentwickler und Geschiedenen gedacht waren, die keine Lust dazu hatten, sich öffentlich zum Buhlkasper zu machen, ist das Internet voll mit Buhlkaspern, die vor allem eines wollen: Mit der Masse schwimmen, aber dabei die beste Figur zu machen.
Damit ich gar nicht erst falsch verstanden werde: Die Buhlkasper und ihre entsprechenden Gretel bilden nicht die Mehrheit, sondern eine ausgesprochen lästige Randgruppe. Sie sind fest davon überzeugt, dass das Internet ihnen den Zugang zur besten möglichen Partnerschaft erlaubt, sozusagen zur „Krönung der Partnerschaft“ – aber sie sind eben nichts als Teil des Durchschnitts, der letztendlich vom Traum getrieben wird, sich aus der Masse herauszuheben, aber in Wahrheit mit den Schwärmen zieht, die sich von Trend treiben lassen. Fragen wir uns, warum diese Menschen nicht zum Ziel kommen, einen „ganz besonderen“ Partner zu finden, so ist die Antwort: „weil sie selber nichts Besonderes sind.“
Manche Dinge sind eben ganz einfach – und falls Sie jetzt nachdenklich werden: Es ist verdammt schwierig, ein Individualist zu sein und sein Glück abseits der Schwärme zu suchen – so verdammt schwierig, dass ich Ihnen eigentlich nur raten dürfte: „Schwimmen Sie doch weiter mit dem Strom, und träumen Sie ihren Traum, der niemals in Erfüllung gehen wird.“ Immerhin bin ich nach reiflicher Überlegung zu der Meinung gekommen, Ihnen einen besseren Rat zu geben: Schwimmen Sie nicht weiter mit dem Strom, sondern packen Sie das Glück beim Schopfe, wo es sich Ihnen anbietet. Gehen Sie Beziehungen ein, wenn Sie jemanden finden, der ihre Stärken liebt und ihre Schwächen hinnimmt. Dazu brauchen Sie nicht immer schneller zu schwimmen und immer besser zu sein als die anderen Fische in Ihren Schwarm – Sie müssen nur ab und an innehalten und sich umsehen, wer noch zur Ruhe kommen will um irgendwo zwischen den Algen einen stillen Platz zu finden.
Geschrieben nach der Lektüre dieses Artikels.