Schönes Gesicht? Dann ab ins Gebüsch!
Ich bin nicht ganz sicher, wie viele Psychologen, Soziologen und Gehirnforscher Menschen schon Bilderchen vorgelegt haben, um dann an ihren Reaktionen zu festzustellen, wie attraktiv sie die Kandidaten auf den Fotos fanden.
Es ist ein nettes Spiel, so eine Art Hot-or-Not der Forscher, relativ preiswert und immer mit dem gleichen angeblich spektakulären Ergebnis: Männer suchen die tollsten Frauen anhand ihres Gesichts heraus, und zwar in kürzester Zeit.
Nun will eine neue Studie bewiesen haben, dass Männer dies bereits nach wenigen Millisekunden tun – dazu hatte man beim Betrachten der Fotos diesmal die Gehirnströme gemessen. Frauen brauchten demnach deutlich länger, um einen Mann attraktiv zu finden.
Das alles war natürlich längst bekannt – aber die Folgerungen daraus sind übereilt und sehr wahrscheinlich falsch, denn zwar könnten Männer in der „freien Wildbahn“ in Millisekunden eine besonders „fruchtbare“ Frau erkennen, aber dabei kommt es ja nun nicht sofort und unmittelbar zur Kopulation – man stelle sich das einmal bildlich vor.
So kommt es, dass die Forschungen der Damen und Herren einmal wieder für den berühmten Müllhaufen der Wissenschaft waren: Ob die Männer, die da Bilderchen beguckt haben, im tatsächlichen Leben jemals diesen tollen Frauen begegnet wären, ob sie in der U-Bahn die Fruchtbarkeit aus dem Gesicht hätten lesen können und ob sie sich dann zu ihr durchgekämpft hätten, um sie anzusprechen, steht in den Sternen – von einem Date, einer möglichen Kopulation oder gar einer Beziehung ganz zu schweigen.
Selbst die üblicherweise skandalträchtigen britischen Zeitungen sehen die Sache kühl und halten den Ball flach, wenn sie von der Studie berichten, die von den Wissenschaftlern Johanna van Hooff (Universität Amsterdam), Helen Crawford (Universität Kent) und Professor Mark van Vugt (ebenfalls Uni Amsterdam) berichteten.
Die deutsche „BZ“ dichtete die Sache ein bisschen um und schreibe: „Bei der Partnerwahl schauen Männer den Frauen nicht zuerst auf Busen oder Po“, sondern auf ein schönes Gesicht, das „seit Urzeiten ein Zeichen für Fruchtbarkeit“ sei – und: „für das Betrachten des wohlgeformten Frauenkörpers bleibt da gar keine Zeit.“
Ja – nun wissen Sie es also: Bloß keine Zeit mehr nehmen, auch noch den Körper anzuschauen, vom Reden mal ganz zu schweigen: Sondern Gesichtskontrolle in Millisekunden und dann Gebüsch suchen – selbst wenn Frauen für diese Option ein paar Sekunden statt Millisekunden benötigen sollten.
Äh … ich meine, haben Evolutionsforscher (oder auch Journalisten) eigentlich schon einmal etwas von einem Wort wie „Kultur“ gehört?
Bild: Titelblatt von „Berliner Leben“ Nr. 17