Der Buhmann ist gefunden: Emanzipation! Oder doch nicht?
In der Welt einer Eva Herman (erinnert sich eigentlich überhaupt noch an die?) war die Sache ganz einfach: Sie fragte, ob die Emanzipation ein Irrtum gewesen sei. Gerade höre ich nun, dass ein gewisser Peter Mersch darauf die ultimative Antwort gefunden haben will: „Ja – die Emanzipation ist ein Irrtum“, und auch die Claque ist nicht weit: Schon haben einige Behauptungen Einzug ins Herzklopfen-Blog gefunden.
Meist ist es bei Problemen der Zeit so: Sie sind zu komplex, um sie einfachen Gemütern nahe zu bringen. Wer die Emanzipation in der „alten“ Bundesrepublik verstehen will, muss sich mit dem Bürgertum vor 1914, mit dem Versuch kultureller Umwälzungen in der Weimarer Republik, mit dem Verbrecherregime des Dritten Reiches und seinen „Mutterkreuzen“ beschäftigen und leider auch mit der dunkelschwarzen Adenauerära. Auf der anderen Seite lohnt sich durchaus ein kultureller Seitenblick auf Deutschland (Ost) nach 1945 und auf andere Länder des Ostens: Man kann etwas von ihnen lernen, nämlich dies: Emanzipation kann etwas ganz Natürliches sein. Deutschland (West) ist also eine Ausnahme und nicht repräsentativ für die Frauenemanzipation als solche.
Die Emanzipation als Sozial-Buhmann
Nun also hat Peter Mersch die Emanzipation als Buhmann festgenagelt, und da mag man fragen, ob man solche Einfältigkeiten überhaupt kommentieren sollte. Wir Deutschen haben ja unsere Erfahrung mit Buhmännern: Zu Kaiser Zeiten waren es die Franzosen, die das deutsche Volk moralisch untergruben, und nun sind es eben die emanzipierten Frauen. Sehr einfach, nicht wahr? Zumal, wenn man dann dem Buch noch einen knalligen BILD-gerechten Titel gibt: „Die Emanzipation – ein Irrtum!: Warum die Angleichung der Geschlechter unsere Gesellschaft restlos ruinieren wird“.
Nun gibt es ein paar Tatsachen, zum Beispiel, dass Frauen aus der Ex-DDR (übrigens auch ungarische Frauen) gar nicht verstehen, was daran falsch sein soll, wenn Frauen und Männer gleichberechtigt ihren Beruf nachgehen. Auch in den skandinavischen Ländern erntet man Kopfschütteln, wenn man solche Dinge nach „deutscher Art“ hinterfragt.
Verarmen und Verdummen dank Emanzipation?
Verallgemeinerungen nützen in diesem Zusammenhang gar nichts – ja, sie sind kontraproduktiv. Wer behauptet, dass eine Gesellschaft zuerst verarmt und dann verdummt, nur, weil Frauen und Männer gleichwertig Berufe ausüben wollen, der müsste eigentlich eine Verarmung und Verdummung in weiten Teilen unserer EU erkennen können. Andererseits hätte unter gleichen Voraussetzungen eine rasante Vermehrung von Reichtum und Intelligenz in den arabischen Ländern stattfinden müssen – wieder Fehlanzeige.
Sicher – es ist noch viel zu tun, um die Emanzipation in das Fahrwasser der Selbstverständlichkeit zu lenken. Weder die westdeutschen Frauen noch die westdeutschen Männer haben bereits vollends verinnerlicht, dass Emanzipation eine unumstößliche Tatsache ist, auch in beruflicher Hinsicht. Doch daran wird eine Gesellschaft arbeiten müssen – und arbeiten heißt ein wenig mehr, als noch ein bisschen zusätzliche Arroganz und Deutschtümelei zu provozieren. Dies ist kein politisches Magazin – aber jeder Deutsche sollte sich klar sein, dass wir ein gemeinsames Europa haben, in dem andere Lebensregeln gelten als im Westen Deutschlands.
Das marode Bürgertum als Beispiel: Kein Dauerschaden erkennbar
Die Emanzipation ist nicht die „die größte soziale Umwälzung seit zwei Millionen Jahren“ – so weit reicht der Blick gar nicht. Es reicht völlig, einmal hundert Jahre zurückzudenken: Damals konnten nur Bürgentöchter heiraten, deren Vater ein großes Vermögen in bar hinblättern konnte, was letztlich bedeutete: Ein großer Teil der weiblichen bürgerlichen Intelligenz konnte sich nicht mehr fortpflanzen – lediglich die Töchter der „Pfeffersäcke“ hatte die Chance – und sie mussten jeden nehmen, der halbwegs ins väterliche Konzept passte. Ob diese Männer nun unbedingt die besten „Vererber“ von Intelligenz waren, muss wohl auch in Zweifel gestellt werden. Sehen Sie, und nicht einmal das hat Deutschland nennenswert geschadet. Und dann soll in einer globalen durchmischungsfähigen Gesellschaft ein bisschen fehlgeleitete Emanzipation schaden? Da kann ich nun wahrhaftig nur noch Hohn lachen.